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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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Dopplers mit Grüner-Veltliner-Etikett einfällt ist: gute Idee! Das Gesicht des Jünglings taucht hinter der Flasche auf. »Überraschung!«, sagt er mit diesem breiten Schmallippenmund unter dem akkurat getrimmten Vollbart. »Toni hat gemeint, ich soll dir Gesellschaft leisten.« Danke Toni, aber du wärst mir lieber!
    »Musst du nicht arbeiten?« ist sicher nicht sehr freundlich zu sagen, wenn jemand mit einem Doppler und dem guten Vorsatz, dir die Mittagszeit zu versüßen, vor der Tür steht. Bitte daher den Jüngling herein, um meine Grobheit auszugleichen. Zeige ihm die Küche (er stellt den Doppler und seine Stofftasche ab), führe ihn durch die restlichen Zimmer. Wieder in der Küche zieht er ein Rexglas voll Dinkelrisotto aus der Tasche. »Hast du einen Topf, wo ich das aufwärmen kann?«, fragt er und öffnet schon auf der Suche nach gefordertem Kochgeschirr die ersten Küchenladen. Er fühlt sich hier sichtlich wie zuhause. Setze mich an den Küchentisch und dirigiere ihn mit »kalt, kalt, wärmer, noch wärmer, heiß« an die Fundorte der gewünschten Utensilien. Mache mich eigenhändig über den Doppler her, schenke mir ein Glas ein (zur Probe), befülle ein zweites für ihn. Kaum ein Uhr Mittag und ich schon mit einem Viertel auf beinahe nüchternen Magen – das ist auch schon lange her.
    Der Jüngling wirkt vertraut im Umgang mit Küchengerätschaften und mit dem Zubereiten von Speisen. Gut, Risotto-Aufwärmen bedarf keinerlei Meisterschaft. Schließe aber aus seinen lässigen, fachmännischen Handbewegungen, mit denen er Gewürze in den Topf streut, dass er das nicht zum ersten Mal macht. Vielleicht riecht er deshalb nach Essen, wie Toni behauptet? Weil er oft kocht? Kann von meinem Küchensessel aus keine olfaktorische Fährte wahrnehmen. Sehe nur seine routinierte Behändigkeit, die mich zusammen mit dem Wein in Wohligkeit packt. Spüre jedenfalls mit der Hälfte des Glasinhalts intus die entspannende Wirkung des Grünen Veltliners in meinen Adern, bei gleichzeitiger Anregung meiner Magensäfte. Tonis Jünger häuft das Dinkelrisotto auf zwei Teller, raspelt Parmesan darüber (hat er ebenfalls in seiner Stofftasche mitgebracht), stellt die dampfenden Teller auf den Küchentisch, legt artig Besteck und Servietten daneben und zündet auch noch eine Stabkerze an (samt Kerzenständer aus der Tasche).
    »Fast romantisch«, sage ich.
    »Nicht fast«, sagt er, setzt sich aufrecht hin und hält sein Weinglas auffordernd in die Höhe. »Helen, ich glaube, wir haben einen ungünstigen Start miteinander gehabt. Lass uns noch mal beginnen. Ich bin der Benno.«
    Bezweifle, ob das einen besseren Start verheißt, aber was soll’s, das ist eben sein Name, und er bemüht sich. »Hat sich wahrscheinlich schon herumgesprochen, Helen«, proste ich ihm zu.
    Das Risotto ist gut. Wie mir Benno versichert, von ihm selbst gemacht. Er nützt den Moment, um von sich zu erzählen. Erfahre, dass er
nicht
bei einer Bank arbeitet → das muss Toni in ihrem grenzenlosen Desinteresse für finanzielle Belange verwechselt oder gleichgesetzt haben. Benno ist Analyst bei
Standard & Poor’s
. Er bewertet alles Mögliche auf dessen Kreditwürdigkeit (sehr viel weiter reicht mein Interesse am Finanzmarkt auch nicht). Erwähne, bereits einen Analysten gekannt zu haben.
    »Aha, und wie heißt der? Weißt du, für wen er arbeitet?«, fragt Benno überraschend lebhaft, als wollten sich Analysten aller Länder gerne gegenseitig aufspüren und zusammenschließen. Weiß jedoch nichts über Robert, kann Bennos Wissensdurst daher nicht stillen. Er merkt wohl, dass der tägliche Einkommenserwerb von Werktätigen kein Steckenpferd von mir ist und erspart mir dankenswerterweise Details über seinen Job. Benno konzentriert sich daraufhin auf Dinge, die ihm Toni in den Kopf gesetzt haben dürfte → gute Taten und gute Worte in die Welt zu bringen, damit sie heilende Wellen schlagen und sich fortpflanzen zur Freude der Menschheit. So in etwa. Aber er dürfte auch selbstständig denken können und verblüfft mich mit der Frage, ob ich »This is water« von David Foster Wallace kenne. Nehme an, für jemanden, der beruflich nichts als Zahlen liefern, erreichen und einhalten muss, ist die Frage nach dem Sinn unserer Existenz nicht gerade naheliegend. (Schlage nach Bennos Besuch David Foster Wallace nach: »Wie gelingt einem ein angenehmes, gut situiertes und respektables Erwachsenendasein, ohne dass man tot, gedankenlos und tagein, tagaus ein Sklave

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