Die wilde Gärtnerin - Roman
noch.
»Das ist doch voll interessant, wie du hier eine Mischung aus Permakultur, Fruchtwechsel, Bauern- und Klostergarten betreibst. Mit deiner eigenen Komposterzeugung, einer Regenwurmfarm, den Insektenhotels. Super!« Seine schmalen Lippen unter dem getrimmten Vollbart spannen sich zu einem begeisterungsbreiten Mund, der imstande ist, seine Ohren anzuheben. Von seinen Augen ganz abgesehen. Die werden so rund und unschuldig, dass sie es schaffen, den Himmel mitsamt Mauerseglern, Garten und Haus, mittels Weitwinkelobjektiv in einen Blick zu raffen, der sich zu allem Übel auch noch auf mich richtet. Aber ich bin ein schwarzer, spitzer Umriss in seiner naiven Iris. Ein Dorn in seinem Idyll. Was macht der Mann beruflich noch mal? Warum kennt sich der mit Gärten aus?
»Würde sicher vielen Leuten Freude machen, wenn du ihnen deinen Garten näherbringen würdest.« Der glaubt wohl, er kann mich mit dem Schmetterlingsnetz einfangen? »Es ist doch schön, sein Wissen weiterzugeben.« Mit gesenkter Stimme, leicht zu mir geneigt, Vertraulichkeit erzeugend, sagt er: »Außerdem bräuchtest du dann keine unliebsamen Zwischenfälle im Garten zu befürchten. Wenn du den Teilnehmern des Festivals Respekt für den Garten einflößt, steigt ihre Achtsamkeit automatisch.« Was sind denn das für Methoden? Lernt der so was bei Toni? Oder in seiner Bank, oder wo er eben arbeitet?
»Sicher nicht«, zische ich, aber merke schon, wie er meine scharfe Abneigung für seine grenzgeniale, völkerverständigende Idee nicht verstehen kann. »Ich werde mich bei eurer Festwoche
sicher nicht
in Szene werfen. Den hippen Kurs für
Urban
oder
Guerilla Gardening
wird es nicht geben. Ganz sicher nicht. Ich lasse doch keine Shantis in meinen Beeten wühlen, damit die sich erden können oder sonst wie spüren.« Jetzt ist es heraußen. Offenheit ist eine wichtige Stufe im gegenseitigen Kennenlernprozess. Warum überhaupt so lange der sanfte Umgangston mit Tonis Jünger? Der eifrige Schüler mit dem großen Herz für Wald, Wiese und Vögel hat doch sicher gelernt, mit einem klaren Nein umzugehen. Aber mein Nein prallt von ihm ab wie ein Gefangener von einer Gummizellenwand. »Lass die Idee einfach sickern, wie Regenwasser auf zarte Sprösslinge«, sagt er.
Werde in meinem eigenen Garten, auf meinem Grund und Boden für blöd verkauft. Würde »verarscht« schreiben, wenn das nicht gegen meine Überzeugung wäre. Ein Bankheini in betont lässiger Freizeitkleidung, der Dank Tonis Beckenbodenmassage eindeutig zu viel Sauerstoff ins Gehirn bekommen hat, macht sich über mich lustig. Bin einen kurzen Moment fassungslos. Stehe vor ihm, überlege, ob es eine weitere Niederlage für mich wäre, einfach zu gehen. Oder ob es besser wäre, ihn hinauszuschmeißen. Auf den Ausgang zu deuten und zu sagen: »Der Flug der Mauersegler lässt sich auch gut von der Straße aus beobachten.« Stehe vor dem penetranten Jünger. Es könnte sein, dass mein Kiefer nach unten klappt. Bin jedenfalls handlungsunfähig.
Aber die Rettung naht von anderer Seite. Natürlich von Toni. Meine
Dea ex machina
. »Da seid ihr! Ich such euch schon überall!« Das »euch« stößt mir auf. Wo »überall« will sie denn nach mir suchen? Entweder ich bin in meiner Wohnung oder hier. Seit mehr als zwei Jahren. Für mich gibt es keine anderen Orte. »Wollen wir uns mal wieder zusammensetzen? Ich seh dich in letzter Zeit ja kaum. Ich hab dir so viel von dem Festival zu erzählen.« Ihre Worte richten sich schwerpunktmäßig an mich. Mit dem Jünger wird sie schon alles besprochen haben. Wahrscheinlich hat er von Toni die Anweisung erhalten, mich zu einem Garten-Grundkurs zu überreden. »Es ist so schön warm, lass uns picknicken.« Vergesse meinen Groll ziemlich schnell. Wer kann Tonis Begeisterung schon böse sein?
Wir picknicken auf der Parkbank, weil die Blumenwiese noch wachsen muss. »Helen lässt sich die Idee für den Garten-Workshop durch den Kopf gehen«, meint der Jünger während des Essens. Die beiden haben also tatsächlich darüber geredet. Verliere kein weiteres Wort des Widerstands. Mein Schweigen fällt allerdings nicht auf, denn Toni redet ununterbrochen von ihren Vorbereitungen. Tonis Kundinnen haben bereits ihr Kommen zugesagt. Auch ihre Alten (zumindest die mobilen) wollen antanzen. Toni hat jede Lehrerin und jeden Lehrer, bei denen sie jemals einen Kurs besucht hat, angeschrieben. Sie zapft ihr Shiatsu-Netzwerk und die Eso-Community meiner Mutter an, um wöchentlich
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