Die wilde Gärtnerin - Roman
zuhause. Ist sie weg oder arbeitet sie so viel?
Spanne Netze über Karotten, Lauch, Kohl. Daneben Routinearbeiten. Problem mit Grauwassertank. Filter defekt oder verstopft? Rufe Techniker an. Hat erst nächste Woche Zeit. Komme bis dahin hoffentlich mit dem Wasser aus Regentonnen und meinem Urin aus.
Am Abend klopft es an der Tür. Schon wieder Benno (diesmal ohne Doppler). Ob ich mit Toni und ihm Abendessen möchte. Möchte. Er kocht. Kann das wirklich gut. Steaks in bunter Pfeffersauce, Erdäpfelgratin und Salat (beides frisch aus dem Garten) mit warmem Ziegenkäse. Nachspeise: Crostata. Höre kein Wort über die Festwoche. Toni plaudert über ihre Kundinnen, über ihre Alten und über eine, die heute gestorben ist. (Kein ungewöhnliches Thema zum Abendessen für Toni und mich, aber Bennos Blicke gehen verstört zwischen uns hin und her.) Beim Abräumen küsst Toni Benno mehrmals auf den Hals und in den Nacken, schließt dabei ihre Augen. Vielleicht riecht er
dort
nach Essen? Jedenfalls tut er ihr gut, denn Toni ist noch besser gelaunt und noch hübscher als üblich.
Völlig unerwartet fragt er mich, was ich von dem Jagdunfall halte, der momentan die Medien beschäftigt (habe davon heute im »Morgenjournal« gehört). Wundere mich über die Frage, was soll
ich
schon davon halten? »Wenn jemand ein Vermögen mit Waffengeschäften macht und dann erschossen wird, entbehrt das nicht eines gewissen Humors, finde ich. Aber soviel ich weiß, ist er nicht tot, bloß angeschossen. Das zählt nur halb.« Benno bohrt noch ein wenig nach. Da ich aber auch über das zweite Unfallopfer, den Bankdirektor, nichts sagen kann, unterlässt er weitere Fragen.
14.5.
Berta ist nicht drüben. Sie muss weg sein, weil sich seit Tagen nichts in ihrer Wohnung verändert hat. Nicht einmal die Kaffeeränder auf dem Esstisch (der seinen Namen zu Unrecht trägt → habe Berta dort noch nie essen gesehen).
Nach Bennos seltsamen Fragen schwirrt mir der Jagdunfall im Kopf herum. Recherchiere dazu im Internet: Ein österreichischer Waffenlobbyist und sein einflussreicher Freund aus der Bankenwelt werden bei einem Jagdausflug angeschossen (der oder die Täter sind noch unbekannt). Beide Verwundeten werden ins Spital gebracht. Sobald der Banker zu sich kommt, spricht er seinen vorzeitigen Pensionsantritt aus. Der andere liegt noch im Koma. Eine schöne Geschichte, über die ich gerne mit Berta sprechen würde. Aber sie ist ja nicht da. Vielleicht macht es mich deshalb so nervös, wenn ich sie nicht hinter ihrem Laptop sehe, weil sie mir nicht zur Verfügung steht und ich niemanden zum Gedankenaustausch habe? Berta weiß sicherlich mehr über die Sache als ich. Mit Toni brauche ich darüber gar nicht zu reden, die hat weder den Namen des Bankers noch den des Waffenfreundes jemals gehört.
Befestige Kartonringe um die Stämme meiner Obstbäume, damit allerhand Getier von den beliebten Früchten abgehalten wird.
Treffe weder Toni noch Benno. Ein sehr ruhiger Tag.
15.5.
Berta weg, noch immer. Meine Beunruhigung wird immer absurder, erkenne aber ein Muster: Kaum ist Berta einige Tage nicht zuhause, schon beginnt mein gemartertes Hirn, sie zu verdächtigen. (Es ist eben nicht so leicht, sich bloß um seinen eigenen Scheiß zu kümmern. Zu leicht lässt man sich ablenken oder sucht nach Ablenkung.) Kann Berta etwas mit dem Jagdunfall zu tun haben? Entmachtung der Mächtigen? Vielleicht repräsentieren der Banker und sein Waffenlobbyist für Berta die Vermögenden und Einflussreichen? Vielleicht hat sie die beiden angeschossen? Und sie gezwungen, sich bei der Staatsanwaltschaft zu stellen und ihre Ämter niederzulegen? Wie hätte sie das fertigbringen sollen? Verrückt, ich werde einfach verrückt. Die Angst, die Toni seit Jahren mit sich trägt, scheint nun berechtigt gewesen zu sein. Mich fängt der Wahnsinn. Denn in den Zeitungsartikeln steht nichts über irgendwelche Täter. Es ist nicht einmal herauszufinden, was auf dieser Jagd genau passiert ist. Nur meine blühende Phantasie bringt Berta mit den einflussreichsten Männern des Landes in Zusammenhang. (Warum ist die so blühend? Vereinsamung? Hospitalismus? Kompletter Realitätsverlust?) Bin wahrscheinlich deshalb überreizt, weil ich Berta nicht nach ihrer neuen Arbeit gefragt habe. Darf ich bei unserem nächsten Treffen nicht vergessen. Mache mir sonst nur unnötige Gedanken.
16.5.
Riskiere es und erkläre die Eisheiligen für beendet. Bepflanze ein größeres Hügelbeet, das in seiner
Weitere Kostenlose Bücher