Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
Vom Netzwerk:
zweiten Saison ist. Ochsenherz-Paradeiser am Spalier, Zuckermais-Inseln, Zucchini, Artischocken, dazwischen Küchenkräuter. Bepflanze zuerst die Süd-, dann die Nordseite des Hügels. Drücke dafür meine Sprösslinge aus leeren Klopapierrollen in die Pflanzlöcher (neben mir ein ganzer Stapel, der später verbrannt wird und als Asche für die Toilette fungiert). Trage meinen breitkrempigen Strohhut, da die Sonne schon ordentlich stark vom Himmel scheint. Vergesse bei der Arbeit die Welt um mich, obwohl ich sie mit meinen zehn Fingern festhalte.
    »Darf ich mitmachen?«, fragt Benno, der plötzlich neben mir steht.
    Warum schleicht sich der immer an wie eine Katze? »Kannst du bitte beim nächsten Mal anklopfen? Du erschreckst mich.«
    Seine Apfelbäckchen kommen wieder zum Vorschein und die schmalen Lippen werden noch dünner. »Ich klopfe ja, aber du hörst mich nicht.«
    Er setzt sich neben mich. Lasse ihn Kräutersamen zwischen das gepflanzte Gemüse streuen. Bin tunlichst darauf bedacht, dass er nicht zu Eigenwilligkeiten neigt und mir meine originelle Ordnung durcheinanderbringt. Aber er ist folgsam und froh, helfen zu können, wie ein Kind, das beim Tischdecken zur Hand geht. Wir arbeiten einige Zeit schweigend dahin, bis mir auffällt, dass es Donnerstagnachmittag ist und er als Angestellter über ungewöhnlich viel Tagesfreizeit verfügt.
    »Bin auf Zeitausgleich, die letzten Wochen war viel los und bald wird wieder viel los sein.«
    Ich finde, er ist auch in den letzten Wochen viel hier herumgehangen, frage ihn, wie es zu diesem unregelmäßigen Arbeitsaufwand in seinem Geschäft kommt.
    »Weil die Märkte spinnen.«
    »Die Märkte spinnen?«
    »Die Märkte spinnen«, wiederholt er. Man muss mir nichts erklären, wenn man mir nichts erklären will. Frage nicht nach, von welchen Märkten er spricht und was sie in ihren bedenklichen Zustand versetzt hat. Finde, es ist ein sympathischer Wesenszug, wenn jemand über seinen Broterwerb schweigt. → Nicht, wo das Brot herkommt, ist wichtig, sondern wohin es geht. Und wie.
    Als das Beet voll ist, steht Benno auf und betrachtet sein Werk.
    »Schön ist das«, sagt er, klopft Erde von seiner Hose und geht zu Toni hinauf. Bleibe noch kurz auf meiner Parkbank sitzen. Höre es Abend werden, spüre die Dämmerung über den Hausdächern, rieche das Ausatmen meines Gartens. Wüsste keinen Ort, an dem ich lieber wäre. Empfinde tiefes Glück und Dankbarkeit. Ziehe meine Lungenflügel weit auseinander und lasse sie mit Sauerstoff volllaufen. Erinnere mich an Tage, an denen ich die unaufhörliche Bewegung unter meinem Rippenbogen gehasst habe. Sie scheinen weit hinter mir zu liegen.
    Habe mich kaum geduscht und umgezogen, da klopft Benno an der Tür. »Bist du zu ihrem Boten mutiert?«, frage ich. »Schaut so aus«, nimmt er seine Rolle ergeben an. »Toni hat gekocht, willst du mit uns essen?« Gerne.
    17.5.
    Stehe früh auf. Höre im »Morgenjournal«: »Vom Saulus zum Paulus im Doppelpack«. Dabei geht es um die Wandlung der beiden Jagdgesellen der österreichischen Wirtschaft. Die Medien rätseln, was bei dem Unfall wirklich passiert ist. Niemand weiß Genaues. Von Marienerscheinungen ist die Rede, von Schüssen unbekannter Herkunft, von Schlägen auf den Hinterkopf, die das Denkvermögen stärken. Jedenfalls ist der einflussreichste und mächtigste Mann in Österreichs Bankenlandschaft (»Er hat noch jeden Parteichef in seinem Vorzimmer warten lassen.« – Zitat eines Kollegen) von allen Ämtern, Vorstandsposten und Gremien zurückgetreten. Stoße im Internet auf unscharfe Fotos, die ihn in Yoga-Pose zeigen oder wie er auf allen vieren mit zwei Kindern auf dem Rücken über einen Rasen kriecht (unter dem Foto ein Kommentar: »Viel früher hätte sich der Raiffeisen-Chef ausschließlich um seine Enkel kümmern sollen.«).
    Der Waffenlobbyist (sein Name taucht in letzter Zeit bei jedem Schmiergeld-Skandal auf) macht im Vergleich zu seinem Freund eine
noch
bemerkenswertere Veränderung durch. Er ist aus dem Koma erwacht und hat seine Geschäfte stillgelegt. Er wird in ein Männerkloster gehen (um Buße zu tun, wie er sagt) und seine Jagdgründe der Öffentlichkeit übergeben. Eine Tierschutzorganisation (die er noch einige Jahre zuvor wegen unrechtmäßigen Betretens seines Grundstücks angezeigt hat) beauftragt er, auf dem weitläufigen Gelände ein Tierasyl einzurichten. Auf seine Kosten.
    »Wie gefällt dir die Geschichte mit dem Jagdunfall?«, fragt mich Benno beim

Weitere Kostenlose Bücher