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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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gesagt,
warum er nach Europa gegangen ist, aber er erwähnte einen Freund… einen
gewissen Merrill Overturf.
    (Noch ein Standfoto: ein seltsamer Typ mit einem seltsamen Hut sitzt in
einem alten Zorn-Witwer, Baujahr 54, grinst aus dem Seitenfenster in die
Kamera)
    BIGGIE (Off) :
Das ist er, genau. Das ist Merrill Overturf.
    Schnitt. (Der Tisch
und der Sonnenschirm am Strand. Synchronton; Biggie spricht in die Kamera)
    BIGGIE : Merrill Overturf war völlig verrückt,
total bescheuert.
    Schnitt. (Bogus im
Studio. Synchronton)
    BOGUS : Nein! Das war er nicht; er war
kein bißchen verrückt. So wie ich hat sie ihn nie kennengelernt. Er war einer
der normalsten Menschen, die ich je kennengelernt habe…
    Schnitt. (Im Schneideraum
hebt Ralph den Hebel der Schneidemaschine wieder an und schaut weitere
Filmstreifen durch)
    RALPH (Off): Es ist schwer, irgend etwas
Konkretes aus ihm herauszubekommen. Er nimmt immer alles so persönlich. Manchmal ist er
richtig unkooperativ…
    (Er drückt den Hebel wieder nach unten)
    Schnitt. (Synchronton.
Eine ganze Reihe blendender Scheinwerfer ist vor der geschlossenen Tür von
Tulpens Badezimmer aufgestellt. Im Bad geht die Toilettenspülung. Kent kommt
ins Bild, [302]  bezieht mit
einem Mikrophon in der Hand neben der Badezimmertür Stellung. Bogus öffnet die
Tür, zieht den Reißverschluß hoch, schaut überrascht in die Kamera. Er ist
wütend; er stößt Kent zur Seite und starrt in die Kamera)
    BOGUS : (Brüllt mit verzerrtem Gesicht) Zieh
Leine, Ralph!

[303]  24
    Wie weit kommt man mit einem
Pfeil im Busen?
    Ihm wurde warm ums Herz, als er feststellte, daß Merrill
Overturf noch unter der selben Adresse im Telefonbuch stand, mit der selben
Nummer. Doch als er versuchte, ihn vom Foyer der Pension ›Taschy‹ aus anzurufen,
drang nur ein merkwürdiges Summen aus dem Hörer, offensichtlich irgendein
Signal. Er fragte Frau Taschy danach, und sie erklärte ihm, dieser Ton bedeute,
daß es den Anschluß nicht mehr gab. Dann bemerkte er, daß das Telefonbuch über
fünf Jahre alt war und daß auch sein eigener Name darin stand – selbe Adresse,
selbe Nummer. Trumper ging in die Schwindgasse Nr. 15, 2. Stock. Auf einem
Messingschild an der Wohnungstür stand: K. Putt.
    Typisch
Merrill, dachte Bogus. Er hämmerte gegen die Tür, hörte ein Schlurfen und eine
Art Brummen. Er drückte gegen die Tür, und sie öffnete sich, aber nur so weit,
wie es die Sicherheitskette zuließ. Es war gut, daß sie nicht weiter aufging,
denn so konnte der große Schäferhund in der Wohnung nur seine spitze Schnauze
durch den Türspalt stecken. Ungebissen machte Trumper einen Satz nach hinten,
und eine Frau – blond, Lockenwickler in den Haaren, mit Augen, die erschreckt
oder wütend dreinblickten oder beides – fragte ihn, was zum Teufel ihm
eigentlich einfalle, in ihre Wohnung einzudringen.
    »Merrill
Overturf?« sagte er zu ihr und blieb in sicherer Entfernung auf dem Flur
stehen, für den Fall, daß sie den Schäferhund herausließ.
    »Sie sind nicht
Merrill Overturf«, sagte sie.
    »Nein,
natürlich nicht«, erwiderte er, doch sie machte die Tür [304]  wieder zu. »Moment!« rief er ihr nach.
»Ich wollte nur wissen, wo er ist…« Doch er hörte, wie sie mit leiser Stimme
sprach, vermutlich am Telefon, und ging schnell weg.
    Draußen auf der
Schwindgasse sah er noch mal nach oben, dorthin, wo einst Merrills berühmter
Blumenkasten gestanden hatte. Darin hatte er indischen Hanf gezüchtet. Doch
jetzt enthielt der Blumenkasten nur ein paar violette, tote Pflanzen, die durch
eine Schneedecke hervorschauten.
    Ein Kind kam
auf seinem Dreirad an und stieg ab, um die Tür zu öffnen. Bogus half der
Kleinen.
    »Wohnt Merrill
Overturf hier?« fragte er sie freundlich. Doch die Kleine starrte ihn nur an.
Sie hatte entweder Probleme mit seinem Akzent, oder man hatte ihr gesagt, sie
solle niemals mit Fremden sprechen, denn sie sah ihn an, als denke sie gar
nicht daran, ihm zu antworten.
    »Was meinst du,
wohin ist Herr Overturf gegangen?« fragte er sie. »Herr Overturf?« wiederholte
er langsam. »Erinnerst du dich an ihn? Er hatte ein komisches Auto, trug immer
einen komischen Hut…« Das kleine Mädchen schien überhaupt nichts zu wissen.
Oben bellte der große Hund. »Was ist mit Herrn Overturf?« versuchte Bogus es
noch einmal.
    Das kleine
Mädchen schob das Dreirad weg von ihm. »Tot?« fragte es ihn; sie hatte nur
geraten, da war er sich sicher. Dann rannte sie weg, auf die Treppe zu, und
ließ ihn

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