Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
Waden
gegeneinander. Im trüben Licht sehen sie Trumpers weitgereisten Schnurrbart und
Koffer und machen sich nicht die Mühe, zu lächeln.
Vom Fenster seines Zimmers in der Pension ›Taschy‹ kann Trumper
das Mosaik auf dem Dach des Stephansdoms sehen und hinunter auf die Huren
schauen, die mit klappernden Absätzen die Straße unter ihm entlanglaufen, um
noch schnell einen Imbiß aus dem ›American Hamburger‹ zu ergattern, den Graben
eine Straße weiter hoch.
Zu dieser
anscheinend recht späten Stunde bringen die Prostituierten nur wenige Kunden in
die Pension ›Taschy‹, wo im ersten Stock ein gutes Dutzend Räume für sie
bereitsteht. Doch Trumper hört, wie sie Männer durch den Flur unter ihm
geleiten, und er sieht, wie sie sie auf dem Bürgersteig der Spiegelgasse zum
Eingang der Pension führen.
Einer nach dem
anderen verlassen die Männer die Pension, allein, und Trumper hört das Rauschen
der Bidets im ersten Stock. Diese nächtlichen Spülungen veranlassen ihn, Frau
Taschy zu fragen, ob er ein Bad nehmen kann. Zögernd bereitet sie ihm eins und
wartet dann vor der Badezimmertür, während er herumplanscht – sie paßt auf, daß ich ja nicht noch einen Tropfen mehr
rauslasse.
[293] Bogus
schämte sich, als er die Farbe des Badewassers sah, und zog hastig den Stöpsel
heraus, doch Frau Taschy hörte das erste kräftige Gurgeln und rief, sie werde
die Badewanne schon sauber machen. Bogus war es zwar peinlich, doch er ließ sie
den schmutzigen Ring abschrubben, wenn er auch bemerkte, wie sie bei dem
Anblick tief Luft holte.
Frau Taschy war
recht freundlich gewesen, als er in die Pension kam, doch als er sauber und
durchgefroren wieder in sein Zimmer kam, bemerkte er, daß sie mehr getan hatte,
als nur seine Bettdecke aufzuschlagen. Sein Koffer stand offen, und der Inhalt
lag ordentlich gefaltet auf dem Stuhl am Fenster, als habe die Frau sorgsam
eine Inventarliste angelegt, um sich schon mal auf ausstehende Zahlungen
vorbereiten zu können.
Obwohl das
Zimmer nicht geheizt war, verspürte er den Drang, sich einen Augenblick lang
vor seine neue Schreibmaschine zu setzen und sie auszuprobieren. Er schrieb:
Mein Zimmer bei Frau Taschy liegt im zweiten Stock, in der
Spiegelgasse, einen Block vom Graben entfernt. Die Huren aus dem ersten Bezirk
benutzen dieses Etablissement. Sie sind erstklassig, ich gebe mich überhaupt
nur mit dem Besten zufrieden.
Dann unterbrach ihn Frau Taschy und erinnerte ihn daran, daß es
schon spät war und sein Tippen zuviel Krach machte, doch ehe er sie fragen
konnte, wie spät es war, war sie schon wieder verschwunden. Er hörte, wie sie
auf dem Flur stehenblieb, und als sie die Treppe hinunterging, schrieb er
weiter:
Frau Taschy, ein alter Hase, wenn es darum geht, das Schicksal
eines Gastes abzuschätzen, kann drohendes Verhängnis an schmutzigen Rändern in
der Badewanne erkennen.
Dann tippte er drei Zeilen mit Diphthongen und versuchte, einen [294] Satz mit möglichst
vielen deutschen Umlauten hinzubekommen: Warum muß ich Müsli mögen? Mösli möcht
ich doch viel lieber.
Er spitzte die
Ohren, ob Frau Taschy in der Nähe war, hörte, wie wieder ein Bidet gespült
wurde, und erinnerte sich an die Huren. Er schrieb:
In Wien ist die Prostitution nicht nur legal, sondern wird
zudem vom Gesetz geleitet und kontrolliert. Jede Hure bekommt eine Art
Arbeitsgenehmigung, die nur nach regelmäßigen medizinischen Untersuchungen
verlängert wird. Eine nicht registrierte Prostituierte ist illegal.
Merrill Overturf sagte immer: »Laß dich mit keiner ein, bevor
du nicht ihre Sicherheitsplakette gesehen hast.«
Genauso offiziell gibt es in jedem Bezirk zweifelhafte Hotels
und Pensionen, die dieses Gewerbe betreiben dürfen. Die Preise sind angeblich
fest, sowohl für Hotels als auch für die Huren, und im ersten Bezirk gibt es
die jüngsten, hübschesten und teuersten. Je weiter man sich aus der Innenstadt
entfernt, desto älter, häßlicher und billiger werden die Huren. Overturf
erzählte immer wieder mit Begeisterung, daß die Preise im fünfzehnten Bezirk
seinen finanziellen Möglichkeiten entsprachen.
Dann wurde Bogus das Schreiben langweilig; er ging ans Fenster
und schaute hinab auf den Bürgersteig. Unten stand die Hure mit dem Pelzmantel
und dem dazu passenden Muff. Er klopfte gegen die Fensterscheibe, und sie sah
hoch. Er bewegte den Kopf vor und zurück, um sie auf sich aufmerksam zu machen,
hoffte, daß so viel Licht von der Nachttischlampe auf ihn fiel,
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