Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
tiefgründige und komplizierte Menschen und
Dinge mit einfachen Verallgemeinerungen und Oberflächlichkeiten zu erklären.
Aber ich finde es genauso simpel, anzunehmen, jeder Mensch sei kompliziert und
tiefgründig. Also ich meine, Trumper operiert wirklich nur an der Oberfläche…
Vielleicht ist er nur Oberfläche,
nichts als Oberfläche…
    (Ihre Stimme wird leiser und langsamer, sie schaut mißtrauisch in die
Kamera, dann auf ihre eingeseiften Brüste und sinkt verschämt tiefer ins Wasser
hinein)
    TULPEN (sieht in die Kamera, als sei
Ralph die Kamera) :Komm schon, mir reicht’s jetzt.
    (Das Telefon klingelt im Hintergrund, und Tulpen steigt aus der
Badewanne)
    RALPH (im Hintergrund) :Scheiße! Das Telefon… Ich geh
ran!
    TULPEN (schaut in seine Richtung) :Nein, laß mich rangehen – es
könnte Trumper sein…
    RALPH (im Hintergrund, am Telefon;
Tulpen lauscht, erstarrt) :Ja, hallo? Hallo, wer zum Teufel
ist denn dran?…
    (Die Kamera wackelt; sie versucht ungeschickt, Tulpen zu folgen, als
sie aus der Wanne steigt. Unbeholfen wickelt sie sich schnell in ein Badetuch,
als Ralph zu ihr ins Bild tritt. Er hat einen Belichtungsmesser um den Hals
hängen und richtet ihn erst auf sie, dann hinab auf die Wanne)
    [369]  RALPH (faßt sie ärgerlich am Arm und versucht, sie zurück zur Wanne
zu führen) :Nein, komm jetzt. Wir müssen das
Ganze noch mal drehen… das Scheißtelefon!
    TULPEN (reißt sich von ihm los) :War Trumper dran? Wer war am
Telefon?
    RALPH :
Ich weiß nicht. Hat einfach aufgelegt. Nun komm schon, es dauert nicht mal ’ne
Minute…
    (Doch sie wickelt sich fester ins Badetuch und geht von der Wanne weg)
    TULPEN (wütend) : Es ist schon spät. Ich will morgen
früh aufstehen. Ich will da sein, wenn er aus der Narkose erwacht. Wir können
das hier auch noch morgen machen.
    (Völlig entnervt schaut sie in die Kamera. Plötzlich sieht Ralph selbst
wütend in die Kamera, als habe er soeben bemerkt, daß sie noch läuft)
    RALPH (brüllt in die Kamera) :Schnitt! Schnitt! Himmel noch
mal, Kent! Verschwend nicht so viel Film, du blödes Rindvieh!
     
    SCHNITT
     
    Am frühen Morgen kamen sie und leerten die Töpfe, Schläuche und
sonstigen Behälter des Mannes neben mir aus. Doch für mich taten sie nichts;
sie gaben mir nicht mal was zu essen.
    Um acht maß
eine Krankenschwester meine Temperatur und jagte mir eine betäubende Spritze in
beide Beine, ganz oben in den Oberschenkel. Als sie mit dem Rollwagen kamen, um
mich in den Operationssaal zu bringen, war ich ohnehin nicht mehr imstande zu
gehen. Zwei Krankenschwestern stützten mich, als ich pinkeln mußte, aber ich
konnte da unten immer noch was [370]  spüren, und
ich hatte Angst, daß die Spritzen vielleicht nicht so wirkten, wie sie sollten.
Ich ließ eine Bemerkung darüber fallen, aber die Krankenschwester schien mich
nicht zu verstehen; mir kam meine Stimme selber ganz fremd vor, und ich
verstand nicht mehr, was ich sagte. Ich hoffte nur, noch so lange klar im Kopf
zu sein, daß ich sie vom Schneiden abhalten konnte.
    Im
Operationssaal stand eine atemberaubende, vollbusige Frau in grünem Kittel, wie
ihn alle OP -Schwestern
tragen; sie zwickte mich unablässig in die Oberschenkel und lächelte mir zu.
Sie war es, die mir die Kanüle für die Infusion in die Vene jagte; dann bog sie
geschickt meinen Arm, klebte die Kanüle mit einem Pflaster daran fest und band
den Arm auf dem Tisch fest. Die Dextroselösung floß durch den gelben Schlauch
und sprudelte in mich hinein; ich konnte ihren Weg bis zu meinem Arm verfolgen.
    Ich dachte an
Merrill Overturf: Wenn er jemals operiert worden war, konnten sie keine
Dextroselösung verwenden, nicht wahr, denn die besteht doch hauptsächlich aus
Zucker? Was nahmen sie wohl bei ihm?
    Mit meiner
freien rechten Hand langte ich hinunter und zwickte in meinen Penis. Immer noch
konnte ich alles spüren, und das bereitete mir große Angst. Was für einen Zweck
hatte es, meine Oberschenkel lahmzulegen?
    Dann hörte ich
Vignerons Stimme, konnte ihn aber nicht sehen; statt dessen sah ich einen
kleinen, freundlichen bebrillten Opa, wohl den Anästhesisten. Er kam zu mir
herüber und fingerte an der Dextrosekanüle herum, hängte dann eine zweite
Infusionsflasche mit einem Narkotikum neben die Dextroseflasche und ließ den
Schlauch von dieser Flasche neben dem Dextroseschlauch herunterhängen. Anstatt
die Kanüle mit dem Narkotikum nun auch in meine Vene zu schieben, steckte er
sie in den Schlauch der Dextroselösung, was

Weitere Kostenlose Bücher