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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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kommen, das genügt, um die Vorbereitungen für den
Eingriff am nächsten Morgen zu treffen. Dann bleiben Sie noch den Tag über da,
und vielleicht auch noch die darauffolgende Nacht, falls Sie immer noch…
leichte Beschwerden haben sollten.
    (162: Halbtotale. Trumper zieht sich umständlich ein OP-Hemd an; Tulpen
hilft ihm, das Bändchen hinten zuzubinden. Trumper starrt auf den Patienten,
mit dem er das Zimmer teilt, einen alten Mann, der an vielen Schläuchen hängt
und reglos im Bett neben Trumper liegt. Eine Schwester kommt herein und zieht
geschickt die Vorhänge vor dem Bett des anderen zu, so daß Trumper ihn nicht
mehr sehen kann)
    VIGNERON (Off) : … anders ausgedrückt, achtundvierzig Stunden Schmerzen. Das ist doch nicht
zuviel, oder?
    (163: Synchronton. Halbtotale. Ralph Packer interviewt Dr. Vigneron in
dessen Praxis)
    PACKER :
Es gibt sicherlich auch psychische Schmerzen, kann ich mir vorstellen… ich
meine, eine Art Penisverlustangst?
    VIGNERON :
Nun ja, ich denke, einige Patienten verspüren sicherlich… meinen Sie so etwas
wie Kastrationsangst?
    (164: Ein Krankenpfleger rasiert Trumper, der stocksteif auf seinem
Krankenbett liegt und zusieht, wie die Rasierklinge durch sein Schamhaar fährt)
    PACKER (Off) :
Ja, Kastration… Oder die Angst, daß das ganze Ding abgeschnitten wird, wissen
Sie. Natürlich nur aus Versehen! (Er lacht)
    [366]  (165: Gleiche
Einstellung wie 163, in Vignerons
Praxis)
    VIGNERON (lacht) :Nun, das kann ich Ihnen
versichern, in diesem Bereich habe ich noch nie einen Schnitzer gemacht!
    PACKER (lacht hysterisch) :Ja, natürlich nicht… Nein, aber
ich meine, wenn man ein Patient ist, der wirklich paranoid ist wegen seinem
Schwanz…
    (166: Synchronton. Halbtotale. Trumper hebt die Bettdecke hoch, schielt
nach unten, läßt Tulpen auch gucken)
    TRUMPER :
Siehst du? Wie ein Baby!
    TULPEN (starrt angestrengt) :Sieht aus, als würdest du ein
Baby bekommen!
    (Sie schauen einander an, dann zur Seite)
    (167: Synchronton. Wie 163 & 165. In Vignerons Praxis sitzen Packer
und Dr. Vigneron und lachen laut und hemmungslos)
    (168: Halbtotale. Trumper sitzt im Bett, winkt Ralph und Tulpen zum
Abschied zu, Tulpen winkt vom Fußende des Bettes aus zurück)
    VIGNERON ( Off , als gäbe er einer
Krankenschwester Anweisungen) :Heute abend keine feste Nahrung
und nach zehn Uhr nichts mehr zu trinken. Die erste Spritze morgen früh um
acht; er sollte um halb neun im Operationssaal sein…
    (Tulpen und Ralph verschwinden aus dem Bild, begleitet von einer
Krankenschwester. Trumper starrt ihnen finster nach)
     
    AUSBLENDE
     
    [367]  Doch
damit war die Show noch längst nicht zu Ende. Ich lag da und spürte meinen
frischrasierten Körperteil – das Lamm, dem kurz vor dem Schlachten der Nacken
geschoren wird!
    Ich lauschte
auch dem gurgelnden Mann neben mir; er wirkte wie ein Vergaser mit all den Ein-
und Auslaßventilen; er schien überhaupt nur zu funktionieren, weil die ganze
Mechanik um ihn herum genau aufeinander abgestimmt war.
    Eigentlich war
mir gar nicht so bange vor meiner Operation; ich hatte mich schon bis zum
Herzstillstand darauf vorbereitet. Was mir allerdings angst machte, war, in
welchem Ausmaß ich über mein eigenes Verhalten im voraus Bescheid wußte, als
seien all meine Reaktionen so gründlich analysiert, interpretiert und kritisiert
worden, daß ich so eindeutig wie ein Schaubild geworden war. Ich wünschte, ich
könnte sie alle schockieren, diese Idioten.
    Es war schon
fast Mitternacht, als ich die Krankenschwester davon überzeugte, daß ich
unbedingt Tulpen anrufen mußte. Das Telefon klingelte und klingelte. Als Ralph
Packer den Hörer abnahm, legte ich auf.
    (169: Synchronton. Nahaufnahme aus der Ausblende. Vor dem
Badezimmerspiegel putzt sich Tulpen die Zähne; ihre Schultern sind nackt;
vermutlich auch der Rest von ihr)
    PACKER (im Hintergrund) :Glaubst du, die Operation wird
ihn ändern? Ich meine jetzt nicht nur körperlich…
    TULPEN (sie spuckt aus, schaut in den
Spiegel und antwortet dann über die Schulter) :Und wie soll sie ihn ändern?
    RALPH (Hintergrund) :Ich meine psychisch…
    TULPEN (spült, gurgelt, spuckt aus) :Er glaubt nicht an Psychologie.
    RALPH (Hintergrund) :Und du?
    TULPEN :
Nicht, was ihn angeht, nein…
    [368]  (170: Synchronton.
Halbtotale. Tulpen sitzt in der Badewanne, seift sich gerade die Brust und die
Unterarme ein)
    TULPEN (schaut gelegentlich in die
Kamera) :Weißt du, es ist nichts als
Schönfärberei, wenn man versucht,

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