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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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einfach nur,
Trumper solle doch wenigstens einmal Tulpen besuchen. Überraschenderweise hatte
Ralph den größten Teil des Briefes darauf verwendet, seine neue Freundin, mit
der er jetzt zusammenlebte, zu beschreiben; sie hieß Matje, »wie der Hering!«
Das Mädchen war »nicht üppig, aber quicklebendig«, und Ralph fügte noch an:
»Sogar Tulpen mag sie.«
    [455]  Trumper
hatte keine Ahnung, was da eigentlich vorging. Doch ihm war klar, warum Ralph
diesen Brief im Grunde geschrieben hatte: Ralph wollte Bogus’ Erlaubnis, den
Film zu zeigen. Der Griff in die Scheiße war fertig, das wußte Trumper.
    Bogus ließ den
Brief ein paar Wochen unbeantwortet liegen. Dann, eines Abends, nachdem er die
Doktorarbeit fertiggestellt hatte und ihm sein Leben besonders ziellos vorkam,
ging er ins Kino. Es ging um einen homosexuellen Flugkapitän, der Angst vor
Regen hat. Mehr oder weniger aus Versehen schläft er mit einer netten
Stewardeß, die ihn von beiden Übeln erlöst: von der schrecklichen
Homosexualität und von der Schlechtwetterangst. Offensichtlich hatte er vor dem
Regen Angst gehabt, weil er homosexuell war. Es war in
jeder Hinsicht ein schlampiger, verletzender Film, dachte Trumper und schickte
Ralph umgehend ein Telegramm. »Du hast meine Erlaubnis«, lautete der Text, und
unterschrieben war es mit »Thump-Thump«.
    Zwei Tage
später verabschiedete sich Trumper von Dr. Holster. » Gaf throgs!« rief Holster ihm fröhlich nach. » Gaf throgs!«
    Das war ein
Insiderwitz aus Akthelt und
Gunnel. Wenn
die Leute aus dem Königreich Thak einander gratulieren wollten, weil sie eine
Arbeit gut verrichtet, einen Krieg gewonnen oder Sex gut hinbekommen hatten,
sagten sie »Gaf throgs!« (»Gib Dank!«). Sie hatten sogar
einen Danksagungstag, an dem sie derlei Gefühlen Ausdruck verliehen, den
nannten sie Throgsgafen
Dag.
    Es war ein wunderschönes Wochenende im September, genau das
richtige Wetter für ein Footballspiel, als Trumper seinen Koffer und eine
gebundene Kopie seiner Dissertation zum Busbahnhof von Iowa City schleppte.
Jetzt hatte er seine Promotion und die Erinnerung daran, wie er Wimpel und
Buttons und Kuhglocken verkauft hatte. Nun mußte er sich wohl nach einem Job
umsehen. Wozu war eine Promotion sonst schließlich da? Doch [456]  es war eine schlechte Zeit,
sich um eine Stelle als Lehrkraft zu bewerben; das Studienjahr hatte eben
begonnen; für dieses Jahr kam er zu spät, und für das nächste war es noch zu
früh.
    Er hatte Lust,
nach Maine zu gehen, sich das neue Baby anzusehen und seine Zeit mit Colm zu
verbringen. Er wußte, dort war er eine Zeitlang ein gerngesehener Gast, wenn er
auch nicht bleiben konnte. Er hatte auch Lust, nach New York zu gehen und
Tulpen zu besuchen, aber er wußte nicht, wie er ihr entgegentreten sollte. Er
stellte sich eine Art von Rückkehr vor, die ihm gut gefallen würde:
triumphierend, wie ein geheilter Krebskranker. Aber er war sich nicht klar,
welche Krankheit er bei seinem Weggang gehabt hatte, und so konnte er auch
schwerlich wissen, ob er nun geheilt war.
    Er verbrachte
eine ganze Weile damit, sich die Landkarte der Vereinigten Staaten anzusehen,
ehe er sich eine Busfahrkarte nach Boston kaufte. Er dachte, angesichts der
trüben Aussichten im Lehrfach spreche doch einiges für Boston; außerdem hatte
er Merrill Overturfs Geburtsort noch nie gesehen.
    Obendrein sah
er auf der Karte, daß Boston ungefähr in der Mitte zwischen Maine und New York
lag. Und da, dachte er, befinde ich mich jetzt auch auf meiner inwendigen
Karte.

[457]  37
    Publikum tobt, Kritik lobt:
Begeisterte Besprechungen von
›Der Griff in die Scheiße‹
    Die Zeitschrift Variety schrieb, Ralph
Packers neuester Film sei »ganz offensichtlich das Beste, was der sogenannte
Underground in diesem Jahr hervorgebracht hat. Natürlich würde diese Aussage
auf jeden Film mit etwas Inhalt und Stil passen, doch Packers Film zeichnet
sich darüber hinaus durch Subtilität aus. Endlich hat er seinen
dokumentarischen Ansatz zur differenzierten Darstellung einer vielschichtigen
Situation weiterentwickelt; endlich behandelt er Einzelpersonen anstatt Gruppen,
und technisch gesehen ist sein Werk wie immer ausgezeichnet. Zugegeben, nur
wenige Zuschauer werden großes Interesse an Packers reichlich egozentrischem
und eher trägem Hauptcharakter finden, doch…«
    Die New York Times schrieb: »Während uns eine Welle von kommerziell erfolgreichen
LowBudget-Produktionen überflutet, wäre es nun endlich an der Zeit,

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