Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
waren die
staatlichen Highschools, und ein Doktor der [460] Vergleichenden Literaturwissenschaften, der
über das Altniedernordische promoviert hatte, schien irgendwie nicht geeignet,
eine Klasse in Weltgeschichte von Caesar bis Eisenhower zu unterrichten oder
ihren englischen Stil zu verbessern. Außerdem hatte er keinen blassen Dunst,
wie er sich Sechzehnjährigen gegenüber verhalten sollte.
Sein Vater
machte für sich eine neue Tasse heißer Milch mit Honig zurecht und schenkte
Bogus noch einen Bourbon ein – mit einem Gesichtsausdruck, der deutlich
erkennen ließ, daß er gern mit seinem Sohn die Mägen tauschen würde.
Bogus las
weiter in der Rezensionssammlung seiner Mutter.
Der New Yorker fand,
es sei »ein seltenes und erfrischendes Ereignis, einen amerikanischen Film zu
sehen, der voller Selbstbewußtsein auf die Wirkung seines lockeren Stils baut.
Was Packer mit seiner Gruppe von Laienschauspielern zustande bringt, sollte
einige unserer Superstars unsicher werden lassen – oder zumindest wütend auf
ihre Drehbuchautoren. Der Hauptdarsteller Bogus Trumper (dessen Soundtrack ein
wenig zu perfekt ist) zeigt erstaunliches
Können beim Porträtieren eines übervorsichtigen, oberflächlichen, kühlen
Menschen, dem es nicht gelingt, mit Frauen in einer mehr als nur ihn selbst
befriedigenden Art zu kommunizieren…«
»Die Frauen
sind großartig!« verkündete die Village
Voice. »Was
in Packers Film fehlt, ist ein Hinweis darauf, warum zwei so herzerfrischend
offene und außergewöhnlich vollendete Frauen irgend etwas mit einem so
schwachen, undurchschaubaren, unbefriedigten Mann zu tun haben wollten…«
Playboy nannte den Film »Super und
komplex, der Sex-Appeal der Darsteller kaum verborgen, wie der Anblick eines
üppigen Körpers unter Seide…«
Obwohl ihm die
»lebendige Darstellung der Geschichte« gefiel, empfand der Esquire den
Schluß als »einen billigen sentimentalen Trick. Die Schwangerschaftsszene ist
lediglich ein alter, [461] viel
zu abgenutzter Trick, um Zuschauerreaktionen hervorzurufen.«
Welche
Schwangerschaftsszene? fragte sich Bogus.
The Saturday Review wiederum fand, das Ende sei »der
echte Packer, ein richtiges Glanzstück. Die betonte Beiläufigkeit der
Schwangerschaft konfrontiert die arroganten, intellektuellen Spekulationen mit
der harten Tatsache, daß sie ihn liebte…«
Warum? überlegte Trumper. Wer liebte ihn?
Liebte wen? Hatte Ralph auf Sentimentalität gesetzt mit Biggies zweitem Kind,
dem von Couth? Aber wie hatte er das eingebaut?
Life rang nach den geeigneten Worten.
»Diese prägnante Oberflächendarstellung fordert geradezu ein offenes Ende; bei
einer Entwicklung, die nicht in die Tiefe geht, sondern die Geschichte nur hin
und her dreht – nur Facetten an der Oberfläche aufzeigt –, wäre es völlig fehl
am Platze, ein dramatisches, auf ein schicksalhaftes Ereignis gegründetes Ende
zu wählen. ›Der Griff in die Sch***‹ gelangt nicht zu einem derartigen
Statement. Im Gegenteil, mit diesem abschließenden, unverblümten Bild der
Schwangerschaft – kurz und nüchtern – gelingt Packer ein definitives Non Statement…«
Ein was? fragt
sich Bogus. Ihm wurde klar, daß er sich den Scheißfilm anschauen mußte.
Daß er ihn
sehen wollte, hatte nur zum Teil mit den Kritiken zu tun. Er wollte Tulpen
wiedersehen, konnte aber den Gedanken nicht ertragen, daß sie ihn wiedersah.
Trumper würde sich Der Griff in
die Scheiße als
Voyeur und als Beteiligter anschauen.
Er hatte ein
Bewerbungsgespräch am Litchfield Community College of the Liberal Arts in
Torrington, Connecticut, das ungefähr auf dem Weg nach New York lag. Nach dem
Gespräch konnte er ja auf einen Sprung in die Stadt fahren und sich den Film
ansehen.
Wie sich
herausstellte, ging es bei der Stelle um Unterricht in [462] Britischer Literatur sowie um Einführungskurse
im Verfassen argumentativer Texte. Der Vorsitzende der Englischen Abteilung war
von Trumpers Referenzen beeindruckt, besonders von dessen Kenntnissen des
Altniedernordischen. »Meine Güte«, sagte er, »wir haben hier nicht mal eine
Fremdsprachenabteilung.«
Mit rauchendem
Kopf kam Trumper pünktlich zur 9-Uhr-Vorstellung in Greenwich Village an. Als
sein Name sowohl bei »Ton« als auch bei »Darsteller« auftauchte, empfand er
Stolz, wenn er auch dagegen ankämpfte. Die Endversion war viel flüssiger, als
er sie in Erinnerung hatte; er bemerkte, daß er eine erwartungsvolle Haltung
eingenommen hatte, als säße er vor einem
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