Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
werde von
hinten leergepickt! Ich kann sie spüren, diese Raubvögel, wie sie sich hier einen
Button, da einen Wimpel abrupfen. Dann ertönt ein furchtbares Geklimper, und
alle meine Kuhglocken sind auf einen Schlag weg.
Auf den letzten
Metern der Südkurve sehe ich – zu spät, um ihm auszuweichen – einen erstaunten
Stadionpolizisten. Ich kann mich nur noch ein bißchen tiefer bücken; ich höre,
wie er nach Luft ringt, und sehe, wie sein bläulich verfärbtes Gesicht vor mir
bis auf Kniehöhe absackt. Ich kann gerade noch verhindern, daß ich ihm auf die
Brust trete. Ich renne weiter und warte darauf, daß seine Kugel meinen
Schutzschild durchbohrt und mir die [94] Wirbelsäule zertrümmert. Aber jetzt bin ich schon in
Sicherheit, am Eingangstor, und nichts geschieht. Vielleicht, denke ich
erschaudernd, habe ich ihn mit meinem Brett guillotiniert; vielleicht saß sein
Kopf, als ich ihn niederstürzen sah, schon nicht mehr auf seinem Körper.
Ich stürze in
den Verkaufsraum des Stadions, sacke unter dem Brett in die Knie. Irgend jemand
ist so freundlich, mir wieder auf die Beine zu helfen. Es ist Nr. 368, der mit
dem Fußballschlips. »Ach du lieber Gott! 501!« ruft er aus und schaut auf mein
leeres Brett. »Du bist ja alles losgeworden! Wo hast du denn gestanden?«
Die anderen
versammeln sich um mich. Der Chefzähler zählt zusammen, was alles auf meinem
Brett angeheftet war, berechnet die Verkaufs- und die Provisionssumme. Ich bin
zu schwach, um Erklärungen abzugeben. Er stellt fest, daß ich alle
Anstecknadeln bis auf eine, sämtliche Wimpel, bis auf vier alle großen Buttons,
all die kleinen Iowa-Anstecknadeln mit den kleinen goldenen Bällen und
sämtliche Kuhglocken »verkauft« habe. Waren im Wert von mehr als dreihundert
Dollar habe ich »verkauft«. Er rechnet mir das mathematische Wunder, meine
»Provision« vor, und ich drücke ihm meine tatsächlichen Einnahmen in die Hand: $
12,75.
»Sie haben es
abgeräumt«, gestehe ich. »Sie haben mich voll erwischt.«
»Sie?« fragt 368 schockiert.
»Der Mob«,
stöhne ich und versuche, mich von den Knien zu erheben. »Verrückt gewordene
Fans«, erkläre ich ihnen. Sie halten mich fest; ihre Besorgnis macht mich fix
und fertig.
»501«, sagt
368, »willst du damit sagen, daß sie dir alles weggenommen haben?« Und mit schwacher Geste deute ich erst auf das leere
Brett, dann auf meine zerfetzten, vom Schotter aufgerissenen Hosenbeine.
Doch als ich
wieder zu Puste komme, wird mir klar, daß ich mich hier nicht länger aufhalten
sollte. Fred Paff wird jeden Moment hier sein. Über uns ertönt ein Gebrüll; das
Spiel wurde [95] gerade
angepfiffen. Die meisten Verkäufer werden unruhig; und auch 368 , ein
begeisterter Footballfan, kommt in Versuchung, mich allein zu lassen. Ich
bedeute ihm, daß ich schon wieder okay bin, daß er wegen mir nicht
hierzubleiben braucht.
»Also, da
müssen wir aber was unternehmen«, murmelt er, doch in Wirklichkeit ist er in
Gedanken beim Gegenangriff. Wäre ich nicht so groggy, würde ich ihm jetzt
sagen, daß wir uns alle gewerkschaftlich organisieren müssen. Ich würde über
Formen von Gewinnbeteiligung und die Ausbeutung des Proletariats reden. Drückt
dem Mann mit dem Fußballschlips das Kommunistische Manifest in die Hand!
Einführungskurs bei Professor Marx! Wimpelverkäufer aller Länder, vereinigt
euch!
Doch in diesem
Augenblick, fünf Meter in seinem eigenen Strafraum, bekommt die schnelle Nr.25,
der Angriffsspezialist von Notre Dame, den Ball, der wie von einem Zauberstab
geleitet genau in seine Richtung fällt. Und 368sagt:
»Es sollten immer zwei Leute bei jedem Brett bleiben.«
»Dann müßt ihr
aber auch die Provision teilen«, entgegnet der Chefzähler.
»Quatsch«,
meint 368 , »ihr müßtet die Provision verdoppeln !Erzähl
mir nicht, daß keiner an diesem Schrott verdient…« Kein Zweifel, 368ist
Wirtschaftswissenschaftler und hat seinen Schlips sicherlich spottbillig
erstanden.
Aber seine
Spekulationen werden unterbrochen. Über uns im Stadion ertönt ein tierisches
Getöse. Nr. 25 von Notre Dame ist in der Mitte durchgeprescht, über die eigene
40-Meter-Linie, und ein robuster, goldbehelmter Heiliger blockt für ihn ab. Und
unsere 368rennt durch die Seitengänge unter
dem Stadion, um so schnell wie möglich an eine Rampe zu gelangen, während der
Chefzähler durch eine schlupflochähnliche Öffnung hinten im Verkaufsraum
verschwindet.
Ich wünschte,
ich wäre so schnell wie die Nr. 25 von
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