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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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untersuchten sie, stupsten sie an, brachten sie
manchmal zum Platzen. Eine Form von Sprache? überlegte Trumper. War eine Blase
ein Wort oder ein Satz? Vielleicht ein ganzer Absatz. Ein kleiner,
durchsichtiger türkisfarbener Poet hielt seiner Welt eine wunderschöne Lesung!
Trumper wollte gerade Tulpen nach diesem seltsamen Aal fragen, da sagte sie:
    »Biggie hat
heute abend angerufen.«
    Trumper
wünschte, er könnte eine wunderschöne Blase aufsteigen lassen. »Was wollte sie
denn?« fragte er und beneidete den Aal um diese einfache Form der
Kommunikation.
    »Mit dir
sprechen.«
    »Hat sie keine
Nachricht hinterlassen? Es ist doch nichts mit Colm, oder?«
    »Sie sagte, sie
fahren übers Wochenende weg«, erzählte Tulpen. »Du brauchst dir also keine
Sorgen zu machen, wenn du anrufst und keiner ans Telefon geht.«
    [112]  »Dann
hat sie wohl nur deshalb angerufen«, sagte Trumper. »Sie hat nicht gesagt, daß
was mit Colm los ist.«
    »Sie sagte, du
rufst meistens am Wochenende an«, sagte Tulpen. »Das wußte ich gar nicht.«
    »Ja, äh, ich
ruf sie vom Studio aus an«, sagte Trumper. »Ich will nur mit Colm reden. Ich
dachte, es ist besser, wenn du es nicht mitbekommst…«
    »Vermißt du
Colm, Trumper?«
    »Ja.«
    »Aber sie
nicht?«
    »Biggie?«
    »Ja.«
    »Nein«, sagte
Trumper. »Ich vermisse Biggie nicht.« Schweigen. Er durchsuchte das Aquarium
nach dem beredten Aal, konnte ihn aber nicht finden. Jetzt schnell das
Blasenthema wechseln, dachte er. Ganz schnell.
    »Ralph will den
Film nicht zu Ende machen«, sagte er, doch sie starrte ihn an. » Das Leben auf dem Land, weißt du?« fügte er hinzu. »Der
neue Streifen war furchtbar. Die ganze Struktur ist so banal…«
    Tulpen sagte:
»Ich weiß.«
    »Hat er schon
mit dir darüber geredet?« wollte Trumper wissen.
    »Er will einen persönlichen Film machen«, sagte sie. »Richtig?«
    »Richtig«,
bestätigte er; er berührte ihre Brust, doch sie rückte von ihm weg und rollte
sich zusammen.
    »Irgendwas
Komplexes«, sagte Tulpen. »Introvertiert und unpolitisch. Irgendwas Privates, ja?«
    »Richtig.«
Trumper war verwirrt. »Ich glaub, er hat dir mehr darüber erzählt als mir.«
    »Er will einen
Film über dich machen«, sagte Tulpen.
    »Über mich ? « fragteer
erstaunt. »Was denn?«
    [113]  »Was
Persönliches«, murmelte sie ins Kissen.
    »Was?« brüllte
Trumper. Er setzte sich auf, packte sie und rollte sie grob zu sich herüber.
    »Darüber, wie
deine Ehe kaputtgegangen ist«, sagte Tulpen. »Halt ’ne gute Beschreibung. Und
darüber, wie wir miteinander zurechtkommen… jetzt«, sagte sie. »Und Interviews
mit Biggie, wie sie damit zurechtkommt, ja? Und Interviews mit mir «,
fuhr sie fort. »Darüber, was ich so denke…«
    »Na, und was
denkst du?« schrie er; er war rasend vor Wut.
    »Ich denke, es
ist eine gute Idee.«
    »Für wen?«
fragte er bissig. »Für mich? Als eine Art Therapie? Als eine Art Couch?«
    »Das wäre
vielleicht auch keine schlechte Idee«, antwortete sie; sie hatte sich neben ihm
aufgesetzt und streichelte seine Schenkel. »Wir haben genug Geld dafür, Trumper…«
    »Mein Gott!«
    »Trumper?«
fragte sie. »Wenn du sie wirklich nicht mehr vermißt, kann es dir doch auch
nicht mehr weh tun, oder?«
    »Das hat doch
mit Wehtun nichts zu tun«, sagte er. »Ich führe jetzt ein neues Leben. Warum
sollte ich da zurückgehen?«
    »Was für ein
neues Leben?« fragte sie. »Bist du glücklich, Trumper? Hast du irgendein Ziel?
Oder bist du glücklich, so, wie du jetzt lebst?«
    »Ich hab dich.«
    »Liebst du
mich?« fragte sie ihn. Und er überlegte sich, wie diese Frage wohl in der
Blasensprache hieß – ein reißender Strudel würde hochsteigen, und die anderen
Fische würden das Weite suchen.
    »Es gibt
niemanden, mit dem ich lieber zusammen wäre«, sagte er.
    »Aber du
vermißt Colm. Du vermißt deinen Sohn.«
    »Ja.«
    »Nun, du kannst
ja noch einen haben, das weißt du doch«, sagte [114]  sie ärgerlich. »Willst du ein Kind haben,
Trumper? Ich meine, ich könnte eins kriegen, weißt du…«
    Fassungslos sah
er sie an. »Du willst ein Kind?«
    »Willst du eins?« schrie sie ihn an. »Ich kann es dir geben, Trumper, aber du mußt es auch
wirklich wollen. Ich muß wissen, was du von mir
willst, Trumper. Du kannst nicht einfach hier leben, und ich kenne dich nicht
mal!«
    »Ich wußte
nicht, daß du ein Kind willst.«
    »So hab ich es
nicht gesagt, Trumper.«
    »Ich meine«,
sagte er, »du warst immer irgendwie unnahbar,

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