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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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einmal ein winziger türkisfarbener
Fetzen, nicht mal ein ganz kleines bißchen von dem seltsamen durchsichtigen
Saugnapf, der den kleinen Aal zur Poesie inspiriert hatte. Trumper schlug mit
der Hand auf die Wasseroberfläche; die anderen Fische schreckten auf, flohen in
Angst und Schrecken, rempelten sich gegenseitig an und knallten gegen die
Glaswand. »Ihr [117]  Schweine!«
schrie Trumper. »Wer von euch ist es gewesen?« Haßerfüllt starrte er sie an –
den schmalen gelben mit der blauen Flosse, dann den aggressiv-roten runden.
Schließlich stocherte er mit einem Bleistift im Wasser herum.
    »Laß das!«
schrie Tulpen ihn an. Doch er stach und stocherte und versuchte, einen von
ihnen an der Glaswand aufzuspießen. Sie hatten den Poeten ermordet! Der Aal
hatte sie um Mitleid angefleht– hatte mit seinen Blasen um Gnade gefleht! Und
sie hatten ihn gefressen, die Idioten.
    Tulpen packte
Trumper an der Hüfte und zog ihn aufs Bett. Er schlug nach ihr aus, stieß dabei
den Wecker vom Nachttisch, knallte ihn gegen das mörderische Aquarium. Es hatte
dicke Wände; das Glas war gesprungen und begann, Wasser durchzulassen; doch es
zerbrach nicht gänzlich. Als das Wasser herauslief, wurden die kleineren Fische
vom Sog gegen die Glaswand gedrückt.
    Tulpen lag noch
immer unter Trumper und sah zu, wie der Wasserpegel sank. »Trumper?« sagte sie
leise, doch er schaute sie nicht an. Er hielt sie so lange fest, bis das
Aquarium über dem Bücherregal ausgelaufen war und die Killerfische zappelnd auf
seinem trockenen Boden lagen.
    »Trumper, um
Himmels willen«, sagte sie, wehrte sich aber nicht gegen seine Umklammerung.
»Wir müssen sie in ein anderes Aquarium tun, bitte.«
    Er ließ sie
aufstehen und sah zu, wie sie die Fische vorsichtig aufschöpfte und in einen
anderen Behälter beförderte. In dem Aquarium mit den Wasserschildkröten kam
sofort eine mit blauem Kopf an und fraß den kleinen gelben Fisch, ließ aber den
aggressiv-roten runden in Ruhe.
    »Mist«, sagte
Tulpen. »Ich weiß nie, wer wen fressen wird.«
    »Bitte sag mir,
warum du ein Kind willst«, sagte Trumper ganz ruhig, doch als sie sich zu ihm
umdrehte, hatte sie gelassen die Arme vor der Brust verschränkt. Sie blies sich
eine Haarlocke aus [118]  der
Stirn, setzte sich im Schneidersitz neben ihn aufs Bett und beobachtete den
Fisch, der das Drama überlebt hatte. »Ich glaube, ich will kein Kind«,
sagte sie.

[119]  13
    Erinnerungen an Merrill Overturf
    Als ich Ski laufen lernte, merkte ich schnell, daß Merrill
Overturf als Lehrer nichts taugte. Merrill ist kein besonders guter Skiläufer,
obwohl er den Bremsschwung ganz gut beherrscht. Auf dem Übungshang für Kinder
in Bruck hatte ich einen kleinen Unfall mit dem Schlepplift. Abgesehen von den
Kindern war da Gott sei Dank nicht viel los; die meisten Erwachsenen waren in
Zell am See, um die Abfahrt der Damen und den Riesenslalom zu sehen.
    Beim Kampf mit
den Bindungen schürfte ich mir lediglich drei Fingerknöchel auf. Merrill bahnte
sich einen Weg durch die Kinder und führte mich zu dem ehrfurchterregenden
Schlepplift; das Seil hing nur etwa dreißig Zentimeter über dem Boden, genau
die richtige Höhe für fünfjährige Kinder und sonstige Zwerge, die dort Ski
laufen. Doch meine Skihose machte bei der Kniebeuge nicht richtig mit, und ich
kam kaum tief genug hinab, um das Seil zu ergreifen und dann ziemlich schnell
in der schmerzvollen Haltung eines Kulis, der einen riesigen Koffer schleppt,
den Hügel hinaufzusausen. Merrill kam direkt hinter mir und brüllte mir während
der endlosen Reise alle möglichen Ermunterungen zu. Wenn es so schwer ist, nach
oben zu gelangen, dachte ich, wie schwierig wird es dann erst sein, wieder
hinunterzukommen?
    Ich mochte die
Berge schon, und besonders die riesigen Gondeln, die die geübten Skiläufer
hinauf zu ihren Pisten brachten, waren ungemein beeindruckend; ich fuhr auch
gern mit der Gondel wieder nach unten – leer, der Blick durch die Fenster
gehörte einem ganz allein; da war nur noch das Liftpersonal, das einen immer
fragte, wo man denn seine Skier gelassen hatte.
    »Wir haben’s
gleich geschafft, Boggle!« log Merrill. »Geh in die [120]  Knie!« Ich sah, wie die Kinder vor mir am Seil
hüpften, während ich den Berg auf meinen Schultern trug – das Seil entglitt
meinen steif gefrorenen Fäustlingen, mein Kinn schlug immer wieder auf den
Knien auf, wenn meine Skier unkontrollierbar aus der Spur und wieder
hineinschlingerten. Ich wußte, ich

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