Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
mußte mich jetzt aufrichten, sonst war mein
Rückgrat hin.
»Geh in die
Knie, Boggle!« dröhnte Merrill, doch ich streckte mich. Einen wunderbaren
Augenblick lang war die ganze Last von meinem Rücken genommen; ich hob das Seil
bis auf Brusthöhe und lehnte mich ein wenig zurück. Über mir sah ich die
kleinen Kinder, deren Skier den Kontakt zum Boden verloren hatten, wie
Marionetten am Seil baumeln. Ein paar fielen herunter, genau in die Schleppspur
vor mir; es war klar, daß sie es nicht schaffen würden, mir aus dem Weg zu
krabbeln.
Oben auf dem
Hügel stand ein in Fell eingepackter Liftwart und rief mir unfreundliche Dinge
zu. Unter uns stampfte eine Horde Mütter mit den Skistiefeln. »Laß das Seil
los, Boggle!« schrie Merrill. Ich beobachtete das Knäuel Kinder, das mit völlig
verhedderten Skiern und Skistöcken immer näher auf mich zukam; einige der
winzigen bunten Handschuhe waren am Seil hängengeblieben, bewegten sich mit ihm
weiter nach oben. Plötzlich stürzte der Liftwärter zum Häuschen, dachte
vielleicht, die Fäustlinge seien Hände.
Ich war
überrascht, wie gut es mir gelang, das Gleichgewicht zu halten, als ich über
das erste Kind hinwegfuhr. »Laß los, Boggle!« schrie Merrill; ich warf einen
raschen Blick über die Schulter auf das Kind, das ich eben niedergetrampelt
hatte, und sah, wie es benommen aufstand und mit seinem Kindersturzhelm Merrill
genau am Solarplexus erwischte. Merrill ließ das Seil los. Dann war ich von den
kleinen Wichten umringt, die mich mit ihren Skistöcken stießen und auf deutsch
nach Gott und ihren Müttern schrien. Als ich von ihnen eingekeilt war, hielt
das Seil in meinen Händen mit einem Ruck an, und ich purzelte mitten in sie
hinein.
[121] »Es
tut mir leid.«
»Gott! Hilfe!
Mutti, Mutti…!«
Merrill führte
mich aus den Liftspuren hinaus und auf den Hügel, der von unten so sanft und
flach ausgesehen hatte.
»Bitte,
Merrill, ich will zu Fuß gehen!«
»Boggle, dann
machst du doch Löcher für die anderen Skiläufer…«
»Ich hätte
Lust, ein großes Loch für alle anderen Skiläufer zu machen, Merrill!«
Doch ich ließ
es zu, daß Merrill mich zur Piste führte und mit dem Gesicht nach unten
hinstellte, wo die Kinder noch zwergiger aussahen und die Autos weiter unten
auf dem Parkplatz wie ihr Spielzeug wirkten. Overturf zeigte mir, wie man im
Schneepflug bremst, und gab dann großspurig einen wackeligen Stemmbogen zum
besten. Herumalbernde kleine Kinder rauschten an uns vorbei; wuchteten sich mit
den Skistöcken im Zickzack hin und her und fielen sanft und unbeschadet wie
kleine Wollknäuel zu Boden.
Meine Skier
fühlten sich an wie lange, schwere Leitern an meinen Füßen; die Stöcke waren
Pfähle.
»Ich fahre
hinter dir«, sagte Merrill, »falls du hinfällst.«
Ich fing ganz
langsam an; ein paar Kinder fuhren mit offensichtlicher Verachtung an mir
vorbei. Dann bemerkte ich, daß ich schneller wurde. »Beug dich nach vorn!« rief
Merrill, und ich fuhr noch etwas schneller, meine Skier gingen zusammen, dann
wieder auseinander. Und wenn sich die Skier kreuzen, was dann? dachte ich.
Dann fuhr ich
so schnell an der ersten Gruppe erstaunter Kinder vorbei, daß ich den Eindruck
hatte, sie würden stillstehen. Sollten sie mal sehen, die kleinen Giftzwerge!
»Beug die Knie, Boggle!« hörte ich Merrills Stimme meilenweit hinter mir. Doch
meine Knie schienen blockiert, meine Beine steif wie zwei Bretter. Ich fuhr auf
ein kleines blondes Mädchen mit einer bunten Mütze [122] zu und schubste sie mit einer Hüftbewegung aus
dem Weg, wie ein Zug, der ein Eichhörnchen beiseite schiebt. »Es tut mir leid«,
rief ich ihr auf deutsch zu, doch die Worte wurden mir in den Rachen
zurückgeblasen; mir tränten die Augen. » Schneepflug, Boggle!« schrie
Merrill. Ach ja, die Notbremse. Doch ich traute mich nicht, die Skier zu
bewegen. Ich versuchte, sie allein mit meiner Willenskraft
auseinanderzubekommen; sie widersetzten sich; meine Mütze flog davon. Vor mir
scherte eine Horde Kinder aus und machte sich laut schreiend aus dem Staub:
eine Lawine war hinter ihnen her! Ich wollte keines von ihnen aufspießen, also
ließ ich die Skistöcke fallen und donnerte mitten durch sie hindurch. Jaulend
stürzte jemand aus dem Lifthäuschen unten am Hügel, eine Schaufel in der Hand;
mit der hatte er die Liftspur eingeebnet, doch ich befürchtete, er würde keinen
Augenblick zögern, damit auf mich einzudreschen. Die Schlange unten am Skilift
löste sich auf;
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