Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
an.
»Sein
Zuckerspiegel«, sagte ich. »Er ist total verwirrt.«
»Er hat ein
Gedicht über dich geschrieben«, log Merrill, und Biggie schaute mich gerührt
an. »Ein schönes Gedicht«, fuhr Merrill fort. »Er ist ein richtiger Dichter.«
»…der früher
mal Stabhochspringer war«, sagte Biggie mißtrauisch.
»Er war auch
mal Ringer«, sagte Merrill plötzlich, völlig verrückt. »Und wenn du mich mit
dem Skistock verletzt, dann wird er dir das Genick brechen.«
»Er weiß nicht,
was er sagt«, beruhigte ich Biggie, die auf Merrill sah, der seine blutige Hand
in die Höhe streckte.
»Vielleicht muß
ich sterben«, sagte Merrill. »Man weiß ja nie, wo der Skistock vorher
dringesteckt hat.«
»Zieh ihm
ordentlich eins über, und dann nichts wie weg hier«, sagte eine von Biggies
Teamgefährtinnen.
»Und nimm den
Skistock mit«, riet ihr die andere und starrte mich finster an.
»Gleich unter
der Bauchdecke liegen lebenswichtige Organe«, jammerte Merrill. »O Gott…«
»Ich ziel gar
nicht auf deinen Bauch«, sagte Biggie.
»Als der Typ
sich über dich lustig gemacht hat, haben wir dich bewundert«, sagte Merrill.
»In dieser häßlichen, selbstsüchtigen, gewinnsüchtigen Welt hast du Würde und
Humor gezeigt.«
»Wo ist dein
Sinn für Humor geblieben?« fragte ich sie. Sie starrte mich an. Das war eine
empfindliche Stelle von ihr; es schien ihr sehr viel auszumachen.
»Warum nennt
man Sie ›Biggie‹?« fragte Merrill und imitierte die Aussprache des Reporters.
»Was glauben Sie?« fragte er mich.
»Weil sie ein
so großes Herz hat«, antwortete ich. Dann
streckte ich die Hand aus und nahm ihr den Stock weg. Sie lächelte, und ihr [140] Gesicht nahm die Farbe ihres
orangen Velourspullovers mit dem V-Ausschnitt an. Ich glaube, du bist ganz aus
Velours!
Dann stand
Merrill Overturf zu schnell auf. Was noch von seinem Bewußtsein übriggeblieben
war, war an die Rückenlage gewöhnt. Und wie er sich so schnell auf die Füße stellte,
hat er wahrscheinlich sein Hirn da unten liegengelassen. Wir sahen nur noch das
Weiße in seinen Augen, obwohl er allen zulächelte. Seine Hände bewegten
unsichtbare Telefonwahlscheiben.
»Gob, Doggle«,
sagte er.
Erst kippte er
auf die Knöchel, dann fiel er hin, wie ein nasser Sack.
[141] 14
Die einen guten Kampf gekämpft
In meiner Ehephase, als ich in der Iowa Avenue 918 lebte,
konzentrierte sich mein Optimismus auf Risky Mouse. Fünf Abende hintereinander
schnappte sie sich waghalsig den Köder aus der Falle. Ich warnte sie ein
weiteres Mal davor. Ich brachte ihr eine fettige Portion von Biggies
gedünstetem Fleisch, legte es ihr auf verführerische Weise hin; nicht direkt in
die Falle, sondern gut einen Meter davon entfernt. Um ihr klarzumachen, daß ich
für sie sorgen würde. Sie brauchte ihren weichen, fingerdicken Nacken nicht
Biggies riesiger Falle auszusetzen, die für Wiesel, Waldmurmeltiere, Wombats
und Mammutratten gedacht war.
Ich bekam nie
heraus, was Biggie eigentlich gegen diesen Nager hatte. Sie hat ihn nur einmal
gesehen – hat ihn unten auf der Kellertreppe aufgeschreckt, als sie eines
Abends ihre Skier holen wollte. Vielleicht dachte sie, die Maus würde nun doch
etwas zu kühn und wolle ihr Revier nach oben ausdehnen. Oder vielleicht auch
ihre Skier anknabbern. Die verfrachtete Biggie jedenfalls sofort ins
Schlafzimmer. In meiner morgendlichen Grabschphase fielen die Dinger ab und zu
auf mich drauf. Die messerscharfen Kanten konnten einen geradezu aufschlitzen.
Das war einer der Reibungspunkte, die sich zwischen Biggie und mir
entwickelten.
Risky Mouse bekam also an jenem Abend ein Stück Fleisch, wenn
ich dabei auch meine Zweifel hatte. Fressen Mäuse überhaupt Fleisch?
Danach nahm ich
zusammen mit Colm ein Bad. Er war so schlüpfrig, daß ich ihn mit den Daumen
unter den Achseln festhalten mußte, sonst wäre er mir kichernd untergegangen.
Zusammen [142] mit Colm
baden war immer eine entspannende Sache, nur daß Biggie jedesmal hereinkam und
uns zusah. Und jedesmal stellte sie mir, aufrichtig besorgt, die Frage: »Wird
Colm genauso viele Haare kriegen wie du?« Mit dem Unterton: Wann wird der
gräßliche Haarwuchs anfangen und ihn fürs Leben entstellen?
Und ich
erwiderte jedesmal etwas verärgert: »Hättest du mich lieber ohne Haare, Big?«
Sie lenkte ein:
»Nein, so hab ich es nicht gemeint. Ich möchte nur nicht unbedingt, daß Colm
genauso haarig wird wie du.«
»Verglichen mit
den meisten anderen Männern hab ich doch
Weitere Kostenlose Bücher