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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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wenig Sinn für Grammatik
mitgegeben. Sie merkte sofort, daß ich nicht aus Zell oder Kaprun kam, weil ich
den hiesigen Dialekt nicht sprach, aber sie wäre nie darauf gekommen, daß ich
Amerikaner war, und ich sah keinen Grund, englisch zu sprechen; dann hätten die
beiden Mädchen am Tischende auch mitreden können.
    Aber ich
wollte, daß Merrill mitredete. Ich beugte mich hinüber, um ihm einen Klaps auf
die Wange zu geben, doch sein Kopf war weg.
    »Du bist nicht
von hier?« fragte sie.
    »Nein.«
    Merrills Kopf
lag nicht mehr auf der Bank. Ich suchte nach dem Rest von ihm, tastete mit dem
Fuß unter dem Tisch herum, mit der Hand hinter der Bank, lächelte und nickte
dabei die ganze Zeit.
    »Macht es dir
Spaß, hier Ski zu laufen?« fragte sie.
    »Nein. Ich bin
nicht zum Skilaufen hergekommen. Ich kann überhaupt nicht Ski laufen…«
    »Was machst du
in den Bergen, wenn du nicht Ski läufst?«
    »Ich hab früher
Stabhochsprung gemacht«, erklärte ich ihr und schaute zu, wie sie das deutsche
Wort langsam wiederholte und dann nickte; sie hat verstanden. Jetzt sehe ich,
wie sie überlegt, welchen Zusammenhang es wohl zwischen Bergen und
Stabhochspringen geben könnte. Meint er damit, daß er in die Berge gekommen
ist, weil er früher Stabhochsprung gemacht hat? Sie glaubt, daß er das gemeint
hat. Was für Schlüsse zieht sie wohl daraus, frage ich mich. Und: Wo zum Teufel
ist Merrill?
    »Stabhochsprung?«
fragte sie in ihrem vorsichtigen Deutsch. »Du hast Stabhochsprung gemacht?«
    »Ja, früher«,
erklärte ich ihr. »Aber jetzt natürlich nicht.«
    Natürlich
nicht? Man konnte ihr ansehen, was sie dachte. [135]  Doch sie sagte nur: »Moment. Du warst
Stabhochspringer, bist es aber jetzt nicht mehr.«
    »Natürlich«,
sagte ich, worauf sie den Kopf schüttelte und gleich weiterredete.
    »…und du bist
in den Bergen, weil du früher Stabhochsprung gemacht
hast?«
    Sie war
bewundernswert; ihre Beharrlichkeit faszinierte mich. In einer so banalen
Situation hätten die meisten den Versuch aufgegeben, das zu verstehen.
    »Warum?«
insistierte sie. »Ich meine, was hat die Tatsache, daß man früher
Stabhochsprung gemacht hat, damit zu tun, daß man in die Berge fährt?«
    »Ich weiß es
nicht«, antwortete ich unschuldig, als sei sie ganz
allein auf diesen Gedanken gekommen. Sie schien vollkommen verwirrt. »Was
könnte es denn für einen Zusammenhang zwischen Bergen und Stabhochsprung
geben?« fragte ich sie dann. Sie wußte nicht mehr weiter; wahrscheinlich dachte
sie, es liege an ihrem Deutsch.
    Sie startete
einen Versuch: »Du magst die Höhe?«
    »O ja, je
höher, desto besser.« Und ich lächelte.
    Sie mußte
gemerkt haben, daß diese Unterhaltung sinnlos war, denn sie lächelte ebenfalls
und fragte: »Hast du deine Stäbe dabei?«
    »Meine
Stabhochsprungstäbe?«
    »Genau.«
    »Natürlich hab
ich die dabei.«
    »Hier in den
Bergen…«
    »Natürlich.«
    »Du schleppst sie
mit dir rum, wie?« jetzt machte es ihr Spaß.
    »Immer nur
einen.«
    »Oh,
natürlich.«
    »Da brauch ich
nicht am Lift Schlange zu stehen«, sagte ich.
    »Du springst
einfach hoch?«
    [136]  »Das
Runterkommen ist schwieriger.«
    »Was machst du?«
wollte sie wissen. »Ich meine, im Ernst.«
    »Ich überleg
noch«, antwortete ich. »Im Ernst.« Und ich meinte es ernst.
    »Ich auch«,
meinte sie. Auch sie meinte es ernst, also ließ ich das Deutsch sein und redete
einfach auf englisch weiter mit ihr.
    »Aber ich bin
in nichts so gut«, sagte ich, »wie du im Skilaufen.«
    Ihre beiden
Freundinnen schauten überrascht auf. »Der ist ja Amerikaner«, meinte eine.
    »Der ist
Stabhochspringer«, erzählte Biggie den beiden lächelnd.
    »Ich war mal
einer«, fügte ich hinzu.
    »Er hat uns die
ganze Zeit auf die Schippe genommen«, sagte eine der beiden Häßlichen und warf
Biggie einen verletzten Blick zu.
    »Aber er hat
Sinn für Humor«, entgegnete Biggie dem Mädchen und sagte dann auf deutsch, nur
zu mir: »Das vermisse ich beim Skilaufen, den Humor. Daran ist nämlich nichts
lustig.«
    »Dann hast du mich noch
nie Ski laufen sehen«, sagte ich.
    »Warum bist du
hier?« wollte sie wissen.
    »Ich passe auf
einen Freund auf«, erklärte ich und schaute mich schuldbewußt um, hoffte,
Merrill zu entdecken. »Er ist betrunken und hat Diabetes, und im Moment ist er
verschwunden. Eigentlich müßte ich ihn suchen gehen.«
    »Warum hast du
es noch nicht getan?«
    Ich redete
vertraulich auf deutsch weiter. »Weil du reingekommen bist, und dieses

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