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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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gar nicht so viele Haare, Big.«
    »Ach, Männer « , seufzte
sie dann, als sei das einzige, was sie an mir störe, die Tatsache, daß ich
einer bin.
    Doch ich wußte,
was ihr im Kopf herumspukte: Skiläufer. Blond und ziemlich männlich (oder wenn
schon nicht blond, dann doch zumindest sonnengebräunt); ohne Nikotinflecken auf
den Zähnen; unbehaarte schneeweiße Muskeln unter der Daunenunterwäsche; weich
am ganzen Körper, weil sie so viel Zeit in Schlafsäcken verbringen. Das einzig
Abstoßende an Skiläufern sind die Füße. Ich glaube fast, sie schwitzen nur
durch ihre warmen, verkrampften, vielbeschichteten Füße. All die dicken,
krumpeligen Socken! Das ist ihr einziges gesundheitliches Manko.
    Ich war der
erste und einzige Nichtskiläufer, den Biggie je im Bett hatte. Es muß das
Neuartige daran gewesen sein, was sie so beeindruckte. Aber jetzt kommt sie
langsam ins Grübeln. Sie denkt an die ganze schneeweiße Sauberkeit zurück.
    Kann ich denn
was dafür, daß ich nie diese sanft scheuernde Daunenunterwäsche getragen habe,
die einem alle Körperhaare abreibt? Zum Skilaufen sind meine Poren zu groß; der
Wind weht in mich hinein. Kann ich denn was dafür, daß ich so sehr öle? Ist es
meine Schuld, wenn Baden bei mir kaum was nützt? Ich steige aus der Wanne,
strahle nur so vor Sauberkeit, pudere mir den Unterleib, sprühe die
Achselhöhlen mit Deo ein, reibe mein [143]  frischrasiertes Gesicht mit einem parfümierten Wässerchen ein,
und zehn Minuten später fange ich an zu schwitzen. Ich glänze wie eine
Speckschwarte. Bei Unterhaltungen fällt mir machmal auf, wie mich mein
Gegenüber plötzlich anstarrt; irgend etwas bereitet ihm Unbehagen. Ich habe
herausbekommen, was es ist. Er sieht plötzlich, wie sich meine Poren öffnen,
oder vielleicht ist seine Aufmerksamkeit auf eine davon
gerichtet, die sich im Zeitlupentempo öffnet und ihn sozusagen anguckt. Ich
habe dieses Gefühl schon selbst gehabt, vor dem Spiegel, und ich kann mein
Gegenüber gut verstehen; es ist schrecklich.
    Aber man sollte
doch meinen, daß die eigene Frau einen nicht so angafft, wenn der Stoffwechsel,
besonders in schwierigen Zeiten, so deutlich zutage tritt. Sie hingegen spart
nicht mit guten Ratschlägen für meinen seltsamen Haarwuchs. »Mach dir doch den
Schnurrbart ab, Bogus. Das sieht ja aus wie Schambehaarung.«
    Doch ich sehe
das anders. Ich bin dringend auf jedes Haar angewiesen, das mir wächst. Womit
sollte ich meine schrecklichen Poren bedecken, wenn nicht mit Haaren? Biggie
hat das nie verstanden; sie hat einfach keine Poren. Ihre Haut ist so zart wie
Colms Po. Ich wußte, sie hoffte, Colm würde eines Tages ihre Poren haben – oder
besser gesagt, ihren Mangel an Poren. Natürlich verletzte mich das. Aber ich
dachte an das Kind. Und offen gestanden, ich würde niemandem meine Poren
wünschen.
    Trotzdem
bereiteten mir diese Badezimmerkonfrontationen Kummer.
    Ich machte einen kleinen Spaziergang zu ›Benny’s‹, einer Kneipe
in der Nähe, hoffte, in ihr Ralph Packer, den Polemiker, anzutreffen, der dort
öfter hofhielt oder sonstwie seine Maximen kundtat. Aber bei Benny war es
ungewöhnlich leer, und ich nutzte die Stille, um ein hirnloses Telefongespräch
mit dem Flora-Mackey-Studentinnenwohnheim zu führen.
    »Welcher
Stock?« wollte jemand wissen, und ich überlegte, in [144]  welchem Stock Lydia Kindle wohl wohnte. Ganz
oben, unterm Dach, da, wo die Vögel nisten?
    Verschiedene
Stockwerke wurden ausprobiert. Ein Mädchen sagte mit mißtrauischer Stimme: »Ja
bitte?«
    »Kann ich bitte
mit Lydia Kindle sprechen?« fragte ich.
    »Wer ist am
Apparat?« wollte die Stimme wissen. »Ich bin die Flursprecherin.«
    Eine
Flursprecherin? Ich legte auf und stellte mir Wandansager, Türredner und
Fensterverkünder vor. Auf den Putz in Bennys Pissoir schrieb ich: FLORA MACKEY BLIEB JUNGFRAU BIS ZUM BITTEREN ENDE.
    In der Toilette
schien jemand Schwierigkeiten zu haben. Unter der Tür lugten ein Paar Sandalen,
lila Socken, eine heruntergelassene Hose mit weitem Aufschlag und ganz
offensichtlich eine ordentliche Portion Kummer hervor.
    Wer immer da
saß, er weinte.
    Ich weiß sehr
gut, wie schmerzhaft das Pinkeln sein kann, und empfand Mitleid mit ihm. Aber
andererseits hatte ich keine Lust, mich näher mit diesem Problem zu befassen.
Ich konnte ja an der Bar ein Bier bestellen, es ihm unter der Tür
durchschieben, sagen, daß es auf meine Rechnung ginge, und mich schnell
verdrücken.
    Die Spülung des
Pissoirs rauschte –

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