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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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war das der beste Name, der mir einfiel.
Biggie mochte den Namen auch. »Das klingt wie ein Geräusch, das man im Bett
machen möchte«, sagte sie.
    »Colm?« fragte
ich und lächelte.
    »Mhmmmm«, sagte
sie.
    Zu der Zeit
nahm ich an, daß wir eines Tages sehr viel mehr mit Merrill Overturf zu tun
haben würden. Wenn ich damals schon gewußt hätte, wie es kommen würde, hätte
ich das Baby Merrill genannt.

[178]  16
    Väter und Söhne (zwei Sorten),
unerwünschte Schwiegertöchter
und vaterlose Freunde
    918 Iowa Avenue
    Iowa City, Iowa
     
    1. November 1969
    Dr. Edmund Trumper
    2 Beach Lane
    Great Boar’s Head, New Hampshire
     
    Liebster Dad & Doktor,
    in letzter Zeit
habe ich an mir die erschreckenden Symptome von finalem Weltschmerz festgestellt und möchte dich bitten, mir etwas Penizillin
zuzuschicken. Ich habe zwar noch was von dem alten Penicillin, das ich von dir
bekommen habe, aber soweit ich weiß, steigt seine Stärke bei längerer
Aufbewahrung, und es muß sowieso gekühlt gelagert werden; jetzt wäre es
sicherlich nicht mehr verwendungsfähig.
    Weißt du noch,
wann du es mir gegeben hast?
    Als Couth und Fred fünfzehn waren, ging Elsbeth Malkas nach
Europa und kam um viele reizvolle Erfahrungen reicher nach Hause zurück. Die
größere Freundin aus ihren Kindertagen war jetzt erwachsen geworden; das war
für sie das erste Anzeichen, daß die Sommer in Great Boar’s Head nun nicht mehr
so wie früher sein würden. Die beiden freuten sich auf die Oberschule, während
Elsbeth Malkas sich aufs College vorbereitete.
    [179]  Couth
und Fred waren allerdings nicht auf die Auswirkungen vorbereitet, die Elsbeths
krauses, schwarzes Haar auf ihre Zehen hatte; die krallten sich immer wieder
ein. Hin und wieder bemerkten die beiden auch, daß ihre Fingerkuppen auf die
Handfläche trommelten. Das genügte, um sie von der Evolutionstheorie zu überzeugen,
denn hier konnte es sich nur um einen Primateninstinkt handeln – der wohl aus
dem Stadium herrührte, in dem Affen ihre Gelenke trainieren, um die Äste der
Bäume umklammern zu können. Dieser Instinkt hatte etwas mit dem
Gleichgewichtssinn zu tun, und jedesmal, wenn die beiden Elsbeth Malkas sahen,
hatten sie das Gefühl, gleich aus dem Wipfel eines Baumes herabzufallen.
    Elsbeth brachte
neue, seltsame Gewohnheiten aus Europa mit nach Hause. Tagsüber kein Sonnenbad
mehr am Strand, abends keine Verabredungen vor dem Kasino. Sie saß den ganzen
Tag in der stickigen Mansarde des elterlichen Strandhauses und schrieb,
Gedichte über Europa, wie sie sagte. Und malte. Couth und Fred konnten das
Mansardenfenster vom Strand aus sehen; meist verbrachten sie ihre Zeit damit,
in der Brandung Fußball zu spielen. Elsbeth Malkas stand reglos am Fenster und
hielt einen langen Pinsel in der Hand.
    »Wetten, daß
sie nur ihr ödes Zimmer streicht«, sagte Fred.
    Couth warf den
Ball ins Meer und hechtete hinterher. Über die Schulter rief er zurück:
»Wetten, daß nicht!« Fred sah Elsbeth am Fenster stehen und herausschauen. Beobachtet sie Couth oder mich?
    Nachts
beobachteten die beiden sie. Sie legten sich in den Sand,
zwischen dem Meer und ihrem Haus, und warteten darauf, daß sie aus der Mansarde
kam, bleich und verschwitzt, in einem vollgeklecksten blauen Malerhemd, das
ihre Oberschenkel gerade zur Hälfte bedeckte; erst wenn sie sich bückte, um
einen Stein aufzuheben und ins Meer zu schleudern, konnte man sehen, daß sie
darunter nichts anhatte. Direkt am Wasser zog sie das Hemd aus [180]  und stürzte sich ins kühle
Naß; ihr volles, schwarzes Haar trieb hinter ihr auf der Wasseroberfläche, es
hatte soviel Eigenleben wie die Seetangknäuel, die auf dem Meer schwimmen. Wenn
sie sich das Hemd wieder anzog, klebte es an ihrem Körper; auf dem Weg zurück
nach Hause machte sie sich nie die Mühe, es zuzuknöpfen.
    »Man kann’s
immer noch nicht besonders gut sehen«, beschwerte sich Couth.
    »Eine
Taschenlampe!« schlug Fred vor. »Wir könnten sie anleuchten.«
    »Da würde sie
nur versuchen, das Hemd vorne ganz zusammenzuziehen«, entgegnete Couth.
    »Ja, das blöde
Hemd«, seufzte Fred. »Mist.«
    Also nahmen sie
ihr eines Nachts das Hemd weg. Sie liefen hinunter zu der Stelle im feuchten
Sand, wo das Hemd lag, und nahmen es mit, während sie in der Brandung schwamm.
Doch das hellerleuchtete Strandhaus lag hinter ihnen, und so konnte Elsbeth
sehen, daß die beiden sich hinter den Hecken bei der Veranda versteckten, und
ging dann schnurstracks auf sie zu. Anstatt

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