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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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beugte sich vor und berührte seine
Schulter. Dann drehte sie sich um und schaute mich an, etwas ängstlich, als
meine sie es ernst. Wir sollten uns immer nur in Gruppen aufhalten, das
Alleinsein war zu ernst.
    »Es macht
überhaupt keinen Spaß, mit dir zusammenzusein«, sagte Merrill zu mir. »Du bist
nämlich verliebt. Und daran ist überhaupt nichts spaßig…«
    »Nein, er ist
nicht verliebt«, widersprach Biggie. »Wir sind überhaupt nicht verliebt.« Sie
sah mich fragend an, als wolle sie sagen: Das stimmt doch, oder?
    »Ganz bestimmt
nicht«, sagte ich, doch ich war nervös.
    »Ganz bestimmt
bist du es«, sagte Merrill. »Du armer, blöder Idiot…« Biggie sah ihn schockiert
an. »Und du auch!« sagte er zu ihr. »Ihr seid beide ineinander verknallt. Ich
will mit keinem von euch was zu tun haben.«
    Und, bei Gott,
er bekam auch herzlich wenig mit uns zu tun; wir sahen ihn in Wien kaum. Sein
Humor paßte uns nicht, er traf [175]  zu
genau ins Schwarze; er machte uns bewußt, daß die betonte Beiläufigkeit unserer
Beziehung nur aufgesetzt war. Dann fuhr er seinen Witwer nach Italien, zu einem
vorgezogenen Frühlingsurlaub, und schickte jedem von uns eine Ansichtskarte.
»Reißt euch was auf«, schrieb er. »Alle beide. Jemand anders.« Doch da war
Biggie schon schwanger.
    »Ich dachte, du
hättest ein Intrauterinpessar«, sagte ich. »Ein IUP , oder?«
    » IUP «, sagte Biggie. » IBM, NBC, CBS …«
    » BMW «, sagte ich.
    » USA «, erwiderte sie. »Ja klar, ich hatte auch eins, verdammt noch
mal. Aber so sicher sind die Dinger auch wieder nicht.«
    »Ist es
rausgefallen?« fragte ich bestürzt. »So was kann doch nicht kaputtgehen, oder?«
    »Ich weiß nicht
genau, wie es funktioniert.«
    »Offensichtlich
funktioniert es nicht .«
    »Bis jetzt hat
es aber immer funktioniert.«
    »Vielleicht ist
es reingerutscht…«, sagte ich.
    »Um Himmels
willen…«
    »Das Baby hat
es wahrscheinlich zwischen den Zähnen«, überlegte ich.
    »Wahrscheinlich
ist es mir in die Lunge gerutscht«, gab sie zurück.
    Doch später fragte sie: »Es kann das Kind doch nicht verletzen,
oder?«
    »Weiß nicht.«
    »Vielleicht ist
es im Baby drin«, meinte sie. Und wir versuchten uns das vorzustellen: ein
nicht funktionierendes Plastikorgan, gleich neben einem winzigen Herzen. Biggie
fing an zu weinen.
    »Na ja,
vielleicht wird das Baby nicht schwanger«, witzelte ich. »Vielleicht
funktioniert das Scheißding wenigstens bei dem Baby.« Doch sie fand das
überhaupt nicht witzig; sie war wütend. [176]  »Ich versuch doch nur, dich aufzuheitern«, sagte ich. »Ich sag
nur, was Merrill auch gesagt hätte.«
    »Das hier hat
nichts mit Merrill zu tun«, sagte sie. »Es geht nur um uns, wir lieben uns, und
wir kriegen ein Baby.« Dann sah sie mich an. »Okay«, sagte sie. »Ich liebe dich
jedenfalls. Und ich krieg ein Baby.«
    »Natürlich lieb
ich dich auch.«
    »Sag das
nicht«, widersprach sie mir. »Du weißt es einfach noch nicht.«
    Das stimmte
allerdings. Obwohl – zu der Zeit war ihr Körper eine Linderung meiner
Schmerzen. Und obwohl wir Europa bereits verlassen hatten, als Merrill wieder
aus Italien zurückkam – wenn er wirklich in Italien gewesen war –, konnten wir
seinem Einfluß nicht entfliehen. Seinem Beispiel – vielleicht allen Beispielen –, wie man den Mißbrauch seiner selbst überlebt. Das beeindruckte uns, und wir
überzeugten uns gegenseitig davon, daß wir das Baby wollten.
    »Wie soll es heißen?«
fragte Biggie.
    »Bombenteppich?«
schlug ich vor, als der Schock richtig zu wirken begann. »Oder was Einfacheres?
Megatonne vielleicht? Oder Schrapnell?« Doch Biggie runzelte die Stirn. »Flak?«
schlug ich vor.
    Doch nachdem
mich mein Vater enterbt hatte, überlegte ich mir einen anderen Namen, einen
Namen aus der Familie. Der Bruder meines Vaters, Onkel Colm, war der einzige
Trumper, der stolz darauf war, schottischer Abstammung zu sein; er setzte das
»Mac« wieder vor seinen Nachnamen. Wenn er zum Thanksgiving kam, trug er einen
Kilt. Der wilde Colm Mac-Trumper. Nach dem Essen gab er stolze Furzer von sich
und sagte immer, daß eine schwerwiegende psychische Unausgeglichenheit meinen
Vater dazu bewogen hätte, gerade Urologe zu werden. Er fragte meine Mutter
immer, ob es Vorteile habe, mit einem Urologen zu schlafen, und dann
beantwortete er seine Frage jedesmal selbst: Nein.
    [177]  Mein
Vater heißt Edmund, doch Onkel Colm nannte ihn Mac. Mein Vater haßte Onkel
Colm. Als mein Sohn geboren wurde,

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