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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Couth ab, ehe der zu seiner Mutter gehen
konnte.
    Fred konnte
Couth nicht in die Augen sehen, aus Furcht, der könne merken, wie erleichtert
er war.
    Von dieser
Erleichterung war allerdings keine Spur mehr zu [183]  sehen, als er ein paar Tage später in den
Badezimmerspiegel schaute. Das Loch, aus dem er normalerweise pinkelte, war
verschwunden. Zuerst konnte er es noch durch leichtes Zwicken öffnen. Dann
öffnete und schloß es sich von ganz allein; er schien keinerlei Einfluß darauf
zu haben. Er nahm Aspirin und rationierte seinen Getränkekonsum.
    Am Morgen
darauf jedoch, als er schüchtern das Bad mit seinem Vater teilte (er drehte
sich weg von dessen bedrohlichem, zum Rasieren eingeschäumtem Gesicht), sich
breitbeinig vor die Kloschüssel stellte und pinkelte, meinte er, Rasierklingen,
verbogene Haarklammern und Glassplitter in der Harnröhre zu haben. Sein Schrei
verursachte einen blutigen Einschnitt am Kinn seines Vaters, und ehe er die
Wurzel des Übels verstecken konnte, bollerte der: »Laß mich mal sehen!«
    »Was?« Fred
umklammerte mit der Hand das, was er nur noch für ein Überbleibsel seines
früheren Gliedes hielt.
    »Was du da
festhältst«, sagte sein Vater. »Genau das.«
    Aber Fred ließ
es nicht los, fürchtete, es würde abfallen; er wußte, wenn er es losließ, würde
man es ihm nie wieder dranmachen können. Er hielt es immer noch fest, während
sein Vater weitertobte.
    »Zusammengeklebt,
ja?« dröhnte der ehrenwerte Doktor. »Ab und zu ein bißchen Ausfluß? Etwas, was
sich beim Pinkeln wie Nägel anfühlt?«
    Nägel! Das
hatte er also gefühlt! Um Gottes willen!
    »Wo bist du da
reingeraten?« knurrte der Vater. »Großer Gott! Grad erst vierzehn, und gerät
schon da rein!«
    »Ich bin
fünfzehn«, erwiderte Fred; er spürte, daß noch mehr Nägel aus ihm
herauswollten.
    »Lügner!«
brüllte Dr. Trumper.
    Von unten
ertönte die Stimme seiner Mutter: »Edmund? Er ist wirklich fünfzehn.
Was für ein Geschrei wegen nichts und wieder nichts!«
    [184]  »Du
weißt ja nicht, in was er reingeraten ist!« schrie der Vater hinunter.
    »Was?« fragte
sie zurück. Sie hörten, wie sie heraufkam. »In was bist du denn reingeraten,
Fred?«
    Doch da schloß
sein Vater mit verschwörerischer Miene die Badezimmertür ab und rief zu seiner
Frau hinaus: »Schon gut, mein Schatz.« Dann beugte er sich mit seinem rosa
Schaumgesicht, das sich an der Stelle, wo er sich beim Rasieren geschnitten
hatte, rötlich verfärbte, über Fred. »Was war es?« flüsterte er grimmig, und
die Art, wie er es fragte, rief in Fred den Wunsch hervor, zu sagen: Ein Schaf.
Aber das rosa Schaumgesicht machte ihm angst, und schließlich war sein Vater
Urologe; einen fachmännischen Rat in Sachen Pinkeln konnte er in seiner Lage
kaum ausschlagen. Er dachte an Eisenspäne, die aus seiner Blase
herausgeschwemmt wurden, stellte sich vor, wie sich die metallene Spitze eines
Meißels, einem Floß gleich, einen Weg durch seine Harnröhre bahnte.
    »Mein Gott, was
ist da bloß in mir drin?« fragte er seinen Vater.
    »Fühlt sich an,
als sei es total zugerostet, ja?« wollte der ehrenwerte Doktor wissen. »Na, laß
mich mal sehen.«
    Fred ließ die
Hand zum Knie hinabsinken und wartete auf das Plop auf dem Fliesenboden.
    »Wer war es?«
fragte sein Vater und berührte dabei vorsichtig Freds Lebensutensil.
    »Elsbeth
Malkas«, sagte er leise und haßte sich für diesen Verrat; andererseits war die
Erinnerung an sie nicht so süß, daß er sie seines Schutzes würdig befunden
hätte.
    Elsbeth Malkas!
Seine Zehen spreizten sich so heftig, daß er dachte, er würde gleich der Länge
nach hinschlagen. Elsbeth Malkas! Bringt sie her, legt sie hin und findet
heraus, was sie in ihrer trügerischen Möse versteckt hat…
    »Tripper«,
konstatierte Vater Trumper trocken.
    Dann kam die
Mutter an die Badezimmertür und rief ihren Mann ans Telefon. »Cuthbert Bennett
ist dran«, sagte sie.
    [185]  »Für
Fred?«
    »Nein, er will
mit dir sprechen«, sagte sie dem ehrenwerten Doktor und ging hinter ihm die
Treppe hinab. Dabei schaute sie sich ängstlich nach Fred um, der genauso weiß
wie Elsbeth Malkas’ Leinwand war. »Edmund«, zirpte sie ihrem Mann nach, »sei
nett zu Cuthbert. Er hat gerade erst seinen Vater verloren, und ich glaube, er
braucht deinen Rat.«
    Mit verzerrtem
Gesicht ging Fred den beiden nach, sah zu, wie sein Vater nach dem Hörer griff,
hockte sich an die Wand und wartete ab.
    »Ja, hallo,
Cuthbert?« sagte sein Vater mit

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