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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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meinte er.
    »54 hat man
davon auch nicht so viele gesehen«, gab Merrill zurück.
    Biggie kam die
Stufen herunter; sie trug eine leichte Reisetasche, eine US-Teamtasche und eine
riesige Umhängetasche. Ein Mitglied des Männerteams trug ihr die Skier. Der
Träger dieser langen Skier: war das Bill?
    [172]  »Das
ist Robert«, sagte Biggie.
    »Tag, Robert.«
    »Was ist denn
das für ein Auto?« fragte Robert.
    Der Trainer
stand jetzt beim Kofferraum. »Was für ein riesiger Kofferraum!« bemerkte er.
»Heute machen sie sie nicht mehr so groß.«
    »Nee.«
    Robert
versuchte herauszubekommen, wie er Biggies Skier auf dem Dachgepäckträger
befestigen konnte. »So einen Skiträger hab ich noch nie gesehen«, meinte er.
    »Das ist kein Skiträger,
du Blödmann«, erklärte ihm der Trainer überraschend grob.
    Robert wirkte
beleidigt, und Biggie ging auf den Trainer zu.
    »Mach dir keine
Sorgen, Bill«, sagte sie. Bill war der Trainer.
    »Ich mach mir
überhaupt keine Sorgen«, sagte er und ging wieder zum Hotel zurück. »Hast du
ein Exemplar vom Übungshandbuch für den Sommer?« fragte er sie.
    »Klar.«
    »Ich sollte
deine Eltern benachrichtigen«, meinte er.
    »Das kann ich
selber tun«, gab Biggie zurück.
    Bill blieb
stehen und drehte sich zu uns um. »Ich wußte nicht, daß es gleich zwei sind«,
sagte er. »Welcher ist es?«
    Biggie zeigte
auf mich. »Hallo«, sagte ich.
    »Wiedersehn«,
sagte der Trainer.
    Biggie und ich
stiegen ins Auto. »Ich muß noch kurz zum Hotel ›Forellenhof‹«, sagte sie. »Da
ist das französische Team untergebracht.«
    »Au revoir?« sagte Merrill.
    »Ich wollte bei
einem Mädchen aus dem französischen Team die Ferien verbringen«, erklärte sie.
»In Frankreich – sie hat mich eingeladen.«
    »Was für eine einzigartige
Gelegenheit, die Sprache zu lernen«, brabbelte Merrill. »Kulturschock…«
    [173]  »Halt
die Klappe, Merrill«, sagte ich.
    Biggie sah
traurig aus. »Macht nichts«, sagte sie. »Eigentlich fand ich sie gar nicht so
nett. Es wäre wahrscheinlich furchtbar geworden.«
    Also warteten
wir vor dem Hotel ›Forellenhof‹ auf Biggie und stellten fest, daß das
Männerteam dort die gleichen Versammlungsrituale hatte wie die Amerikaner.
Jeder gab Biggie einen Kuß, als sie ins Hotel ging, und dann musterten sie den
Zorn-Witwer.
    »Wie sagt man
auf französisch: ›Was ist das für ein Auto?‹?« fragte Merrill mich, aber
niemand kam zu uns herüber, und als Biggie wieder aus dem Hotel herauskam, gab
ihr jeder noch mal einen Kuß.
    Als wir
weiterfuhren, fragte Merrill Biggie: »Wie wär’s mit dem italienischen Team? Von
denen möcht ich mich auch noch gern verabschieden. Italienerinnen hab ich schon
immer gemocht.«
    Doch Biggie
blies Trübsal, und ich gab Merrills Sitz von hinten einen Tritt. Danach war er
still, den ganzen Weg bis Salzburg und auf der Autobahn nach Wien, über die der
alte Zorn-Witwer rutschte wie eine Spinne auf Glas.
    Biggie ließ
mich ihre Hand halten, doch sie flüsterte mir zu: »Du riechst komisch.«
    »Das kommt von dir «,
flüsterte ich.
    »Ich weiß«,
erwiderte sie. Doch wir hatten nicht leise genug geflüstert.
    »Also ich finde
es einfach abstoßend«, sagte Merrill. »Von einem so alten Auto zu verlangen,
daß es so einen Geruch erträgt.« Als wir darauf nicht mit witzelnden
Entschuldigungen antworteten, war er bis Amstetten still. »Na ja«, meinte er,
»vielleicht sehen wir uns ab und zu in Wien. Wir können ja mal in die Oper
gehen, wenn ihr Zeit habt…«
    Ich erhaschte
seinen Blick im Rückspiegel und sah, daß er es ernst meinte. »Sei doch nicht
albern, Merrill. Natürlich werden [174]  wir
uns sehen. Jeden Tag.« Doch er sah mürrisch aus und schien mir nicht zu
glauben.
    Als Biggie sah,
wie niedergeschlagen er war, rappelte sie sich selbst wieder hoch. Das konnte
sie immer sehr gut. »Falls du noch mal ins Bett pinkelst, Merrill«, sagte sie,
»du kannst dich immer bei uns aufwärmen.«
    »Wo wir gerade
von Gerüchen reden«, fügte ich an.
    »Klar«, sagte
Merrill beim Weiterfahren.
    »Wenn du in
deiner Pisse einfrierst, tauen wir dich wieder auf«, sagte ich.
    Ich sah, wie er
im Rückspiegel Biggies Blick auffing. »Wenn ich das glauben könnte, würde ich
jede Nacht ins Bett pinkeln«, sagte er.
    »Wohnt ihr
beiden zusammen?« fragte Biggie.
    »Bis heute«,
sagte Merrill. »Aber die Wohnung ist so klein, daß ich abends weggehen und euch
in Ruhe lassen werde.«
    »So allein wollen
wir gar nicht sein«, meinte Biggie,

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