Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
ins Village hinunter. Tulpen
wußte über derlei Dinge genauestens Bescheid: wann die Museen Filme für Kinder
zeigten, wann ein Ballett oder Theaterstück oder eine Kinderoper, ein Konzert
oder Marionettentheater gegeben wurden. Sie wußte deshalb so genau Bescheid,
weil sie selbst lieber Vorstellungen für Kinder als für Erwachsene sah; da
waren doch die meisten schrecklich.
Tulpen traf
jedes Mal ins Schwarze. Nach dem Marionettentheater gingen sie in ein
Restaurant, das ›The Yellow Cowboy‹ hieß und in dem überall Poster von
Westernstars hingen. Colm war begeistert und aß wie ein Scheunendrescher.
Später schlief er dann im Taxi ein. Bogus hatte darauf bestanden, daß sie mit
dem Taxi zurückfuhren, denn er wollte nicht, daß Colm irgendwelche nächtlichen
Zwischenfälle in der U-Bahn mitbekam. Auf dem Rücksitz stritten Trumper und
Tulpen beinah darum, auf wessen Schoß Colm seinen Kopf nun legen sollte. Tulpen
gab schließlich nach und ließ Trumper ihn halten, nahm aber die Hände nicht von
Colms Füßen.
»Ich kann’s
einfach nicht fassen«, flüsterte sie. »Ich meine, du hast ihn gemacht !
Ein Teil von ihm kommt von dir.« Trumper war peinlich berührt, doch Tulpen
redete weiter. »Ich hätte nie gedacht, daß ich dich so sehr liebe«, sagte sie
zu Bogus. Sie schluchzte leise.
»Ich liebe dich
auch«, sagte er rauh, sah sie dabei aber nicht an.
»Laß uns ein
Kind haben, Trumper«, sagte sie. »Ja?«
»Ich hab schon
eins«, antwortete er säuerlich. Dann zog er ein Gesicht, als könne er das
Selbstmitleid, das er aus seiner eigenen Stimme herausgehört hatte, nicht
ertragen.
Sie konnte es
auch nicht ertragen. Fest drückte sie Colms schlafenden Fuß. »Du alter Egoist«,
sagte sie zu Bogus.
[258] »Ich
weiß, was du meinst, aber ich liebe dich wirklich, glaub ich«, sagte er. »Das
Risiko ist nur so verdammt hoch.«
»Ganz wie du
meinst, mein Lieber«, sagte Tulpen und ließ Colms Fuß los.
Tulpen nahm Biggies Bitte, daß sie und Trumper nicht zu intim
miteinander umgehen sollten, ernster als Trumper. Sie richtete es so ein, daß
Colm im Bett schlief, ganz nah bei den Wasserschildkröten und den Fischen.
Bogus sollte neben ihm schlafen, wenn er es schaffte, das Kind nicht mitten in
der Nacht anzutatschen. Sie selbst schlief auf dem Sofa.
Trumper
lauschte Colms ruhigen Atemzügen. Wie zerbrechlich Kindergesichter doch im
Schlaf aussehen!
Im Morgengrauen
schrak Colm aus einem Traum hoch, brüllend und wild um sich schlagend, jammerte
nach einem Glas Wasser, beschwerte sich, die Fische wären zu laut, behauptete
dann, eine bösartige Wasserschildkröte hätte ihn angefallen, und war schon
wieder eingeschlafen, als Tulpen mit dem Wasser kam. Für sie war es unfaßbar,
daß ein Kind tagsüber so vernünftig sein und nachts derart von Panik erfaßt
werden konnte. Trumper sagte ihr, das sei völlig normal; manche Kinder träumten
eben viel. Colm hatte schon immer sehr unruhig geschlafen, es hatte kaum zwei
aufeinanderfolgende Nächte gegeben, in denen er nicht plötzlich wild aufschrie,
von einem seltsamen und unerklärlichen Alptraum geplagt.
»Verständlich«,
flüsterte Trumper Tulpen zu, »wenn man bedenkt, mit wem das Kind zusammengelebt
hat.«
»Du hast doch
immer gesagt, Biggie sei gut zu ihm«, sagte Tulpen besorgt. »Und auch Couth,
hast du gesagt. Meinst du etwa Couth?«
»Ich meine mich «,
antwortete Trumper. »Von wegen Couth«, murmelte er. »Das ist ein feiner Kerl…«
[259] Tulpen
war auch überrascht, wie putzmunter Kinder morgens auf einen Schlag sind. Colm
sah aus dem Fenster und plapperte unaufhörlich, erzählte, was er alles
vorhatte, und stöberte in Tulpens Küche herum.
»Was ist das im
Joghurt?«
»Obst.«
»Oh, ich
dachte, es wären Klumpen«, sagte Colm und aß weiter.
»Klumpen?«
»Wie in den
Haferflocken«, antwortete Colm. A-ha! dachte Bogus, Biggie macht die
Haferflocken schlampig. Oder ist vielleicht der geniale Couth für die Klumpen
verantwortlich?
Doch jetzt
sprach Colm von Museen, fragte sich, ob es in Maine auch welche gab. Ja – für
Schiffe, dachte Tulpen. Hier in New York gab es welche für Bilder und
Skulpturen und das naturhistorische…
Sie gingen mit
ihm in eins für Maschinen. Das wollte er gerne. Am Haupteingang stand ein
riesiger Apparat, ein Gewirr aus Zahnrädern,
Hebeln, Dampfpfeifen und Kolben, drei Stockwerke hoch und so breit wie eine
Scheune.
»Was macht der
da?« wollte Colm wissen und stand wie versteinert neben dieser
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