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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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ihn nach dem Krieg hingerichtet?«
    N’ril lächelte dünn. »Vielleicht haben sie einen struppigen Eiferer hingerichtet, der vorgegeben hat, der Gesandte zu sein, aber nur er und Gott wissen um die Wahrheit.«
    Gair blinzelte. »Du glaubst, sie haben einen Unschuldigen geköpft?«
    »So etwas wie einen völlig Unschuldigen gibt es nicht, Gair«, sagte Alderan und blickte finster in seinen Becher. »Nicht in Kriegszeiten – und dieser Knabe war es ganz sicher nicht.«
    »Aber …«
    »Spielt es eine Rolle?« Der alte Mann zog die Mundwinkel herunter, als ob der Wein, den er trank, plötzlich in seinem Mund sauer geworden wäre. »Die Ritter haben Vergeltung verlangt, und der Gerechtigkeit wurde Genüge getan. Ist es da wirklich wichtig, ob der Mann, der vor über zwanzig Jahren nach einem fehlgeschlagenen Aufstand gestorben ist, tatsächlich der Gesandte war oder nicht?«
    Gair war schockiert darüber, dass Alderan so gefühllos sein konnte, und es dauerte eine Weile, bis er seine Stimme wiedergefunden hatte. »Es sollte wichtig sein.«
    »In einer vollkommenen Welt würde ich dir zustimmen«, sagte Alderan, »aber wir müssen in der tatsächlich existierenden leben und nicht in der, die du dir wünschst.«
    »Du musst verstehen, mein Freund«, warf N’ril ein, bevor Gair etwas darauf erwidern konnte, »dass der Kult glaubt, Gott persönlich erwähle den Gesandten. Jeder der Eingeweihten würde freudig sein Leben hingeben, um das des Gesandten zu schützen. In seinen Diensten zu sterben heißt auf dem Pfad zum Himmel wandeln.«
    Die Schmerzen hinter Gairs Augen wurden wieder stärker und pochten im Gleichklang mit seinem Puls. Er rieb sich die Schläfen fester und wünschte sich, er könnte das Pochen wegmassieren. »Wenn die Kirche den richtigen Mann enthauptet hätte, würden wir jetzt nicht in diesen Schwierigkeiten stecken.«
    »In dem Fall hätte der Kult bloß einen neuen Gesandten bestimmt. Diese Schlange kann man nicht töten, indem man ihr einfach den Kopf abschlägt.« Der Gimraeli brach ein Stück Fladenbrot ab und tunkte es in eine der Schüsseln. »Die Stimme des Himmels ist ewig, denn sie spricht die Worte Gottes«, proklamierte er und steckte sich das durchweichte Stück Brot in den Mund.
    Demzufolge war es tatsächlich gleichgültig, wer damals gestorben war. »Aber ist es nicht vielleicht trotzdem derselbe Mann?«
    N’ril kaute und dachte nach. »Vielleicht, aber ich bin mir nicht sicher. Es heißt, er spricht hinter einem Vorhang, damit ihm die Sünden der Welt erspart bleiben. Niemand bekommt ihn zu sehen außer seinen auserwählten Predigern, die das, was die Stimme des Himmels befiehlt, für die Massen übersetzen.«
    »Das meiste heißt lediglich: ›Tod den Ungläubigen‹«, sagte Alderan bitter. »Es ist wirklich eine unmögliche Situation. Aber Kierim ist ein fähiger Politiker. Wenn jemand einen Ausweg findet, dann ist er es.« Er trank seinen Becher leer und schaute hinüber zu Gair. »Wir sollten etwas wegen deiner Schulter unternehmen.«
    Gair sah auf den blutigen Riss in seinem Hemd. »Das ist bloß ein Kratzer.«
    »Auch ein Kratzer kann in dieser Hitze über Nacht faulen.«
    »Ich habe gesagt, es ist nichts.«
    Wut blitzte in den Augen des alten Mannes auf; sie kam so plötzlich wie ein Sommergewitter und verschwand genauso schnell wieder. »Komm zu mir, wenn du dich gewaschen hast. Ich habe eine Salbe, die dir helfen wird.«
    Gair stand auf und wandte sich an ihren Gastgeber. »N’ril, gibt es hier ein Bad, das ich benutzen kann?«
    »Selbstverständlich.«
    Der Gimraeli erklärte ihm, wie er es finden konnte und wo sein Zimmer lag. Gair schulterte seine Habseligkeiten, entschuldigte sich und ging. Er glaubte zu wissen, worüber die beiden als Nächstes reden würden, und er wollte es nicht hören.
    Die Tür fiel leise hinter Gair zu, doch Alderan vermutete, dass der Leahner sie voller Zorn zugeworfen hätte, wenn sie nicht als Gäste hier gewesen wären. Er war gespannt wie die Feder einer zu stark aufgezogenen Uhr, und so war er schon, seit er vor zwei Wochen begriffen hatte, dass er nach Gimrael mitkommen musste, wenn er sein Ehrenwort nicht brechen wollte.
    Wenn der Junge nur einsehen könnte, dass dies der beste Weg war, um Savin aufzuhalten. Aber er war jung und ganz im Dickicht seiner eigenen Schmerzen verfangen. Nach allem, was er durchgemacht hatte, konnte niemand es ihm verdenken, dass er einfach losschlagen wollte. Alderan starrte in seinen Becher und seufzte. Ich

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