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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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hinunter auf ihre Hände. »Ich habe versucht, es ihm letzte Nacht zu sagen, aber er wollte mir nicht zuhören. Er glaubt, dass es gut für dich ist.« Sie hob hilflos die Schultern. »Dein Vater ist ein stolzer Mann. Dass er das Banner des Hauptmanns abgeben musste und wieder zu einem einfachen Gefolgsmann geworden ist, schmerzt ihn mehr, als er je zugeben würde. Es frisst ihn auf.«
    »Soll er mir etwa leidtun?« Die Worte drangen gepresst aus Teias Kehle. »Und was ist mit mir, Mama?«
    Ana seufzte. »Ein lahmer Mann kann kein Hauptmann mehr sein, Teisha. Drw hat nie vergessen, was Teir alles getan hat, um die Rebellion niederzuschlagen, aber Drw weilt nicht mehr unter uns, und dein Vater steht mit nichts da. Wenn er dafür sorgt, dass du an den neuen Häuptling verheiratet wirst, bekommt sein Name wieder einen ehrenvollen Klang bei den Crainnh.«
    Teia starrte sie ungläubig an. »Aber erst muss ich für ihn die Hure spielen?«
    »Teia!« Es lag kein großer Tadel darin, doch Ana konnte ihr noch immer nicht in die Augen sehen. »Dein Vater ist ein guter Mann, der versucht, das Richtige zu tun. Ein Crainnh ohne Ehre hat keinen Platz im Clan, und das weißt du genau. Er versucht nur, für deine Zukunft zu sorgen. Für unsere Zukunft.«
    Teia warf die Hände in die Luft. »Und was ist, wenn mich der Häuptling nicht zur Frau haben will? Hat Vater darüber schon einmal nachgedacht? Oder will er mich auf der Versammlung versteigern lassen, um seine Ehre wiederherzustellen?«
    Endlich brachen die Wolken in ihr auf und überschütteten sie mit Tränen. Sie zupfte sich das Kleid zurecht, drückte sich an ihrer Mutter vorbei und trat hinaus in den blassen Sonnenschein. Nun war es ihr gleichgültig, wer sie sah oder wer auf sie zeigte, als sie davonstolperte. Es war ihr auch gleichgültig, wohin sie ging, und so rannte sie geradewegs in die Sprecherin hinein.
    Starke Hände packten sie und hielten sie fest. »Warte! Warte, Kind!«
    Teia schaute auf, als sie die Stimme erkannte.
    Ytha runzelte die Stirn und hob Teias Kinn. »Was ist mit deinem Gesicht passiert? Hat Drwyn das getan?«
    Teia nickte stumm; frische Tränen tropften ihr schneller auf die Wangen, als sie sie abwischen konnte.
    Ytha räusperte sich und ließ sie los. »Ich hatte geglaubt, du wüsstest inzwischen, wie man einem Mann gefallen kann. Du hast schließlich genug Zeit mit Drw verbracht.« Die Stimme der Sprecherin war kalt und unnachgiebig wie Stein, und der Blick ihrer grünen Augen war nicht minder hart.
    Entsetzt suchte Teia in Ythas Gesicht nach einer Spur von Mitleid oder wenigstens der barschen Freundlichkeit, die sie in der vergangenen Nacht gezeigt hatte. Doch sie fand nichts. Das Herz sank ihr, und sie brachte nur noch ein Stöhnen heraus.
    »Hör auf zu jammern, Kind! Ich habe es dir doch gestern schon gesagt: Erfülle deine Pflicht, und alles wird gut. Geh jetzt, und wasch dir das Gesicht, zieh das Kleid an, das ich dir gegeben habe, und such den Häuptling auf. Er wird erwarten, dich neben sich zu sehen, wenn er aufwacht.« Mit diesen Worten zog Ytha ihren Mantel enger um sich und schritt davon.
    Teia starrte ihr durch einen Tränenschleier nach. Vielleicht wäre der Heiratsmarkt doch die bessere Wahl gewesen.

4
    Das Haus gegenüber der Halle der Schneiderzunft in Mesarild, bis zu dem Savin Alderans Farben verfolgt hatte, war unscheinbar. Es handelte sich um ein rechteckiges, gedrungenes Gebäude, das mit elethrainischem Granit verkleidet war und so stämmig und rosig wie ein Landjunker wirkte. Umgeben war es von einer niedrigen Mauer, die eher dazu da war, den kleinen, sauber gemähten Rasen hinter dem Haus von dessen Umgebung abzugrenzen, als das Gebäude zu schützen. Allem Anschein nach war es eine Handelsresidenz, die jemandem gehörte, der so wohlhabend war, dass er sich einen kleinen Garten in der Reichshauptstadt leisten konnte, in der alle Straßen steil von der Zitadelle her abfielen und ebener Boden höchst kostbar war. Das Anwesen war nicht protzig, besaß aber jene selbstgefällige Gepflegtheit, die so typisch für den Mittelstand war.
    Savin beobachtete das Haus aus dem Schatten des großen Torbogens der Zunfthalle und fragte sich, warum Alderan hierhergekommen war. Eine mögliche Antwort wäre gewesen, dass er einen Freund besuchte, doch Alderans Freunde waren in der Regel Tavernenwirte, Schiffskapitäne und dergleichen – Angehörige der niederen Stände, die jedes Gerücht kannten, sich frei im Reich bewegten und daher

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