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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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gezeigt, oder?«, fragte Baer.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nur der Sprecherin.« Während sie auf ihre Hände herunterschaute, die von der Kälte und vom Reiben gerötet waren, fügte sie hinzu: »Das hatte ich nicht erwartet.«
    »Es war wohl meine Schuld«, gab er zu, und sie schaute auf. Er kratzte sich am Ansatz seines Zopfes und zog eine Grimasse, vermutlich, um seine wahren Gefühle zu verbergen. »Varn da drüben ist zu mir gekommen und hat mich etwas gefragt, und da hat er gesehen, was du im Wasser heraufbeschworen hast. Bevor ich ihn aufhalten konnte, ist er zu den anderen gelaufen und hat sie hergeholt.« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht ist es das Beste, wenn alle es wissen, wo wir doch ein Stück zusammen reiten werden. Ansonsten hätte es Gerüchte gegeben.«
    Das ergab einen Sinn. »Ich verstehe.«
    Er bückte sich, streckte die Hand aus und half ihr aufzustehen. »Los geht’s, Mädchen. Du holst dir hier draußen im Schnee noch den Tod.« Mit der anderen Hand wischte er ihr die Flocken von den Schienbeinen, doch die Wolle darunter war bereits nass geworden. Als ihr Kreislauf wieder in Schwung kam, brannte und kitzelte es in ihren Beinen.
    »Ich habe nie an dir gezweifelt«, sagte er leise, während er arbeitete. »Nicht nach dem, was du letzte Nacht getan hast. Neve hatte es mir schon gesagt, aber jetzt habe ich es mit eigenen Augen gesehen.« Er richtete sich auf, sah sie an und neigte den Kopf. »Banfaíth.«
    Zuerst zögerte sie, doch dann erwiderte sie seine Geste. »Baer.«
    Und das war alles.
    Bevor sie sich umdrehen konnte, war Neve mit einer Schüssel Haferbrei bei ihr und regte sich über den Zustand ihrer Hose auf wie eine Henne über ihr unvorsichtiges Küken. Als sie gegessen hatte, war ihr Unterschlupf bereits abgebaut. Die Zelthäute und die Decken waren zusammengerollt, und Isaak führte den gesattelten und reisebereiten Finn zu ihr.
    »Banfaíth«, murmelte er und machte mit den Händen einen Steigbügel, damit sie aufsitzen konnte.
    Vom Rücken ihres Wallachs aus sah sie Menschen zusammenkommen und wieder auseinanderlaufen, da die Verlorenen ihre jeweiligen Aufgaben erledigten, und sie wusste, dass sich die Nachricht von ihren Fähigkeiten verbreitete. Doch die Blicke, die auf sie geworfen wurden, waren nun nicht mehr feindselig und misstrauisch, sondern neugierig und sogar bisweilen ehrfürchtig.
    Die Gabe der Weissagung war nicht weit verbreitet. Ytha behauptete, sie zu haben, obwohl Teia sie bei ihr nie beobachtet hatte und sie daher auch nicht mit ihrer eigenen vergleichen konnte. Sofern Ytha von Träumen heimgesucht worden war, die genauso dunkel und wild wie Teias eigene waren, hatte die Sprecherin es niemandem mitgeteilt, damit der Clan nicht auf den Gedanken kam, dass unter dem Polarfuchsmantel eine Frau aus Fleisch und Blut steckte.
    Und doch hatte Ytha vor dem halben Clan vor Wut getobt. Bei dieser Erinnerung schloss Teia die Augen. Bei Machas Gnade, sie hatte die Sprecherin geschlagen ! Aber dieser Gedanke erschreckte sie nicht mehr so sehr wie noch vor kurzem. Die Crainnh hatten erkennen müssen, dass ihre Sprecherin ein Mensch wie jeder andere war. Sie mussten wissen, dass sich auch diese Frau irren konnte. Dass sie sich irrte .
    Teia öffnete wieder die Augen und schaute das Tal hoch bis zum nächsten Hügelkamm. Sie konnte nur hoffen, dass sie nicht zu spät kam.

3 1
    In Gairs Träumen war es immer dasselbe. Wie sie an jenem Tag ausgesehen hatte! Ihre meeresfarbenen Augen hatten noch von dem geglüht, was sie soeben miteinander geteilt hatten. Ihre weißen Zähne blitzten, als sie zu ihm zurückschaute, dann öffnete sie die Tür und war verschwunden. Das Klicken der Klinke, als die Tür hinter ihr zufiel, weckte ihn stets, und in dem Augenblick zwischen Schlafen und Wachen, zwischen Erinnerung und Wahrheit schmeckte er sie noch immer auf seinen Lippen.
    Aysha.
    Das Knistern von Pergament riss ihn zurück in die Gegenwart. Eine Schriftrolle war von dem Stapel in der Mitte des Tisches gefallen und bis zu ihm gerollt. Am anderen Ende des Tisches war Alderan in ein Buch vertieft. Vorsichtig legte Gair die Rolle zurück auf den Stapel.
    Alderan blätterte eine Seite um. »Etwas gefunden?«
    Gair schaute auf das Buch, das zwischen seinen Händen auf dem Tisch lag. Noch immer war dieselbe Seite aufgeschlagen, und er sah den vertrauten Namen: Ishamar al-Dinn. Es war eines der wenigen Fragmente auf Gimraeli, das er lesen konnte – sie hatte es ihm beigebracht. Wie lange

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