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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Mesarild nehmen müssen. Die Bregoriner teilten ihre Geheimnisse nur ungern mit Außenstehenden, auch wenn es sich bei den Astolanern um eine Rasse handelte, die genauso alt wie ihre eigene war.
    Über ihrem Kopf zwitscherte ein Zaunkönig. Sein Gesang perlte durch das Geäst herab, dann flog er zur anderen Seite der Lichtung und begann von Neuem mit seinem Lied. Zwischen dem Ende der ersten Tonfolge und dem Anfang der zweiten veränderte sich plötzlich etwas im Wald. Sie öffnete die Augen.
    Der Waldbewohner stand auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung, halb verborgen von einem Baum. Weiche, formlose Kleidung in Braun und Grün verwischte seine Umrisse und machte ihn beinahe ununterscheidbar von Blatt und Borke und Fels. Dann schob er seine Kapuze zurück, enthüllte rotbraunes Haar und flinke dunkle Augen in einem Gesicht, das so braun wie Sumpfholz war.
    »Gut gemacht«, sagte sie, stand auf und begrüßte ihn mit einer halben Verneigung, wie es der Etikette entsprach. Eigentlich hätte sie einen Knicks machen müssen, aber in ihrer ledernen Reithose hätte sie das als lächerlich empfunden.
    »Herrin.« Er neigte den Kopf. Seine Stimme war tief und klangvoll. Ein aus Leder geflochtenes Stirnband hielt ihm das ungekämmte Haar aus dem Gesicht. »Was führt eine Tochter Astolars in den Wald?«
    »Ich muss in großer Eile eine lange Reise hinter mich bringen und hatte gehofft, sie mit deiner Hilfe abkürzen zu können.«
    »Du beabsichtigst, den Wildniswald zu durchqueren.« Seine Stimme war ausdruckslos.
    »Wenn du mein Führer sein willst.«
    Er stützte sich auf das, was sie zunächst für einen Stab gehalten hatte, doch nun erkannte sie, was es in Wirklichkeit war: ein Langbogen, der äußerst kräftig und fast so groß wie der Mann war, der ihn in der Hand hielt. Pfeile lugten aus einem Köcher hervor, der an seiner Schulter hing. »In letzter Zeit bitten nur noch wenige darum. Und noch wenigeren wird es gestattet.«
    »Bitte.« Sie breitete die Hände aus. »Ich würde nicht darum ersuchen, wenn es nicht unbedingt nötig wäre. Ich muss Mesarild so schnell wie möglich erreichen. Der Fortbestand des Schleiers zwischen den Welten könnte davon abhängen.«
    Seine dunklen Augen betrachteten abschätzend ihr Gesicht. »Es stehen Gefahren bevor?«
    »Große Gefahren. Der Schleier wird schwächer, und es gibt jemanden, der sowohl den Willen als auch – wie ich fürchte – die Mittel hat, ihn zu zerreißen: einen Geistplünderer. Ich muss das Reich warnen, damit es sich auf einen Krieg vorbereiten kann.«
    »Krieg bedeutet, dass die Menschen Holz brauchen. Das verheißt Schlechtes für den Wald.«
    »Es verheißt Schlechtes für jedermann, wenn dem Geistplünderer nicht Einhalt geboten wird.« Kurz beschrieb sie die Schwächung des Schleiers, die Masen beobachtet hatte, und die Dämonen, die Savin gegen das Kapitelhaus entfesselt hatte, weil er das Mittel suchte, mit dem er den Schleier vollständig niederreißen konnte.
    »Wenn das, was du sagst, der Wahrheit entspricht …« Der Waldbewohner sah unbehaglich drein. »Dann muss der König gewarnt werden.«
    »Bring mich zu ihm, und ich werde es ihm erklären, so wie ich es dir erklärt habe.«
    Er schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Der König empfängt niemanden von außerhalb des Hains.«
    »Aber es ist wichtig!«
    »Verzeihung, aber das ist der Wille des Königs. Ich kann daran nichts ändern.«
    »Gibt es sonst jemanden, mit dem ich reden kann?«
    Der Blick des Waldbewohners wurde hart; seine Augen nahmen eine schwarze Färbung an. »Es ist dir nicht gestattet, den Hain zu betreten, Herrin, also ersuche bitte nicht darum. Ich werde dich durch den Wildniswald bis zum Wald nördlich von Mesarild geleiten, aber nicht weiter und nicht tiefer hinein.«
    Sie verneigte sich und versuchte, ihre Enttäuschung zu zügeln. »Dann danke ich dir dafür. Bitte iss mit mir zu Abend. Es ist genug da – ich habe auch frisches Brot.«
    Mit einem Nicken deutete sie auf das Fladenbrot, das sie am Morgen zwischen den Kohlen gebacken hatte und das nun in ein Tuch eingewickelt war.
    »Ein Geschenk des Feuers«, sagte er und trat auf die Lichtung.
    »Und des Berges Geschenk«, beendete Tanith den Spruch, »des Herzens und Geistes eingedenk.«
    Seine steinerne Miene wurde ein wenig weicher, und er betrachtete sie mit einer Spur von Neugier. »Nicht viele kennen mehr die alten Wort – nicht einmal in deinem Volk.«
    »Ich habe viel gelesen«, sagte sie und zuckte mit den

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