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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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zwischen den Haaren verschwand, waren diese schneeweiß geworden. Auch der leblose Ausdruck ihrer Augen hatte sich verändert. Nun wirkten sie verstört, als ob sie ein schreckliches Geheimnis in ihrem Herzen trüge.
    Dann setzte sich das Bild neu zusammen, es dehnte sich und füllte die Schale zwischen ihren Händen ganz aus, bis sie wiederum sich selbst in allen Einzelheiten sah, gekleidet in einen Polarfuchspelz und mit dem Stab der Sprecherin in der Hand.
    Teia keuchte auf und ließ die Schale fallen. War es ihr bestimmt, Sprecherin zu werden? Wie war das möglich? Wenn Ytha etwas über ihre Gabe herausfand, würde sie wissen, dass sie getäuscht worden war, und Teia aus dem Clan ausschließen. Teia würde sich den Verlorenen anschließen müssen oder bald einsam und allein unter den rauen Lebensbedingungen auf der Ebene sterben. Aber wenn Ytha es nicht herausfand, würde sie ihr Leben so weiterführen können wie bisher.
    Sie schloss die Augen und ließ das Gesicht in die Hände sinken. Es wäre wahrlich besser gewesen, wenn sie auf dem Heiratsmarkt gelandet wäre. Allerdings bestand noch immer die Hoffnung, dass Drwyn sie fortjagen würde, auch wenn diese immer geringer wurde. Je länger sie die willige Konkubine spielte, desto mehr schätzte er sie. Vielleicht würde er sie irgendwann sogar zu seiner Frau machen, und dann würde Teir den Brautpreis bekommen, um den ihn Drws Tod gebracht hatte.
    Der arme Drw. Er war freundlich zu ihr gewesen, kraftvoll, aber zärtlich, sodass es keine Schinderei gewesen war, das Lager mit ihm zu teilen. Manchmal hatte er von ihr nur verlangt, dass sie ihm etwas vorsang oder ihm schweigend Gesellschaft leistete; er hatte gesagt, sie erinnere ihn an seine eigene Tochter. Dann hatte der alte Häuptling um die Kinder geweint, die er verloren hatte und die sich bereits zu ihrer Mutter im nächsten Leben gesellt hatten.
    Macha möge dich schützen, Drw .
    Sie wischte sich die Augen, nahm die kleine Schale wieder an sich und erhob sich. Der Nachmittag war schon fast vorbei; der See lag glatt und eisengrau unter dem drückenden Himmel. Wenn sie sich nicht beeilte, würde sie die Zelte erst in der Dämmerung erreichen. Sie schüttelte die Bronzeschale trocken, so gut es eben ging, und verstaute sie, nahm ihren Bogen und die erlegten Vögel und machte sich auf den Weg zu ihrem Pferd.
    Als sie im Lager ankam, war der Himmel bereits violett, und überall in der Senke wurden die Fackeln entzündet. Feuer flackerte in zwei großen Eisenpfannen, die den Eingang zu Drwyns Zelt flankierten. Seine beiden Wachen standen daneben; sie schienen angespannt und unruhig zu sein.
    Als Teia vom Pferd stieg, wurde die Zeltklappe zurückgeworfen, und Ytha trat heraus. Ihre Miene wirkte hart im zuckenden Feuerschein. »Wo bist du gewesen?«, wollte sie wissen.
    Teias Herz tat einen Sprung, als sie ihre Beute hochhob. »Bei den Seen, auf der Jagd.«
    »Hast du dabei jemanden gesehen?«
    »Nein, Sprecherin. Stimmt etwas nicht?«
    »Ich habe gespürt, wie jemand außerhalb des Lagers die Kraft gerufen hat.« Die Worte kamen wie abgehackt heraus. Teia wäre beinahe zusammengezuckt. Mit Mühe erwiderte sie Ythas Blick. »Warst du das? Hast du etwa die Gabe? Antworte mir, Mädchen!«
    »Ich habe niemanden gesehen, Sprecherin.«
    »Antworte mir! Hast du die Gabe? Du kennst die Strafe für Betrug.«
    Hilflos zuckte Teia mit den Schultern. Ytha nahm ihren Kopf zwischen die Hände, und ihr Bewusstsein drang auf den Schwingen eines eisigen Windes in Teias Geist ein.
    Teia wich innerlich zurück, verschloss ihre Gedanken tief in sich und verbarg sich vor dem Sturm hinter dem Schutzwall ihrer Angst. »Sprecherin«, jammerte sie. »Bitte nicht!«
    »Was ist hier los?« Die tiefe, raue Stimme gehörte Drwyn. Seine massige Gestalt tauchte in den Schatten hinter Ytha auf. »Lass sie in Ruhe. Sie ist bloß ein kleines Mädchen.«
    Ythas Griff um Teias Schädel lockerte sich nicht. »Sie könnte die Gabe besitzen.«
    »Ach, wirklich?«
    »So lautet das Clangesetz: Ein Mädchen mit der Gabe muss sich der Sprecherin ausliefern. Ansonsten wird sie verbannt. Wer das Clanrecht bricht, dem droht ein Ehrverlust bis in die Generation der Kindeskinder. Das Gesetz befiehlt es, Drwyn, und sogar du bist durch es gebunden.«
    Der Häuptling legte Ytha die Hand auf die Schulter. Niemand außer dem Häuptling hätte so etwas gewagt, und die kalte Wut, die in ihren Augen aufblitzte, zeigte deutlich, dass sie diese Geste verabscheute.
    »Lass

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