Die wilde Jagd - Roman
zurückzuschlagen. Herr, wir sind ein tapferes Volk und werden bis zum letzten Mann kämpfen, aber wir können nicht allein ein ganzes Reich verteidigen. Nicht, wenn auch noch die Wilde Jagd auf uns losgelassen wird.«
»Duncan«, warnte Aradhrim ihn.
Theodegrance hob die Hand. »Nein. Der Junge soll reden. Du hast meine ganze Aufmerksamkeit, junger Mann. Sag, was du sagen willst.«
Nun, da die Augen des Kaisers auf ihn gerichtet waren und im Zimmer nur noch das schläfrige Zischen des Kaminfeuers zu hören war, fand Duncan keine Worte mehr. Die erwartungsvolle Leere in der Luft war so groß, dass sie mit einer einzelnen Stimme nicht gefüllt werden konnte. Verlegenheit rötete seine Wangen, und er senkte den Blick. »Verzeiht mir, Herr. Ich habe voreilig gesprochen.«
»Wie heißt du?«
»Duncan, Herr, von den Morennadh.«
»Mein Vetter«, erklärte Aradhrim. Sie waren über einige Ecken verwandt, aber dem wütenden Gesichtsausdruck des Kriegsherrn nach zu urteilen, war ihm der Verwandtschaftsgrad im Augenblick noch viel zu nahe.
»Ich verstehe.« Der Kaiser verschränkte die Arme vor der Brust. »Du warst auch in der Festung von Saardost, als diese Späher gefangen genommen wurden.«
»Ja, Herr. Ich habe dabei geholfen, den einen von ihnen zu befragen.«
»Glaubst du genauso wie dein Vetter, dass die Bedrohung durch die Nimrothi tatsächlich besteht? Dass es diese Hunde wirklich gibt?«
Duncan holte tief Luft und sah ihm in die Augen. »Ja, das glaube ich.«
»Könnten es nicht bloß Wölfe oder Bergkatzen sein?«
»Ich bin mein ganzes Leben über durch die Ebene gestreift, Herr. Ich habe gesehen, was Wölfe und Raubkatzen unter einer Herde anrichten können, aber sie töten nicht aus Vergnügen, so wie es diese Hunde tun. Wenn Kael hier wäre, könnte er es Euch bestätigen.«
»Und Kael ist …«
»Einer meiner Männer. Er hat einen dieser Hunde aus der Nähe gesehen. Die Bestie hat das Pferd, auf dem er saß, getötet und ihm selbst das Gesicht aufgerissen.«
Theodegrance zögerte, jedoch nur für einen kurzen Moment. »Mythische Kreaturen. Kindermärchen. Äußerst reizbare Männer. Das ist alles, was der Rat darin sehen wird. Selbst wenn dein Freund Kael hier wäre und ich ihn vor den Rat bringen könnte …« Er schüttelte den Kopf. »Meine Entscheidung steht fest.«
»Herr«, begann Duncan, schwieg aber sofort wieder, als Aradhrim ihm die Hand auf den Arm legte.
»Es tut mir leid, wenn ich deine Hoffnungen zerschmettere, Duncan vom Clan der Morennadh, aber dieses Reich hat gehalten – seit inzwischen achthundert Jahren –, weil meine Vorgänger und ich nicht so gehandelt haben, als ob wir die einzigen Verantwortlichen wären. Einigkeit«, dröhnte der Kaiser. »Kompromisse. Der Karren rollt viel besser, wenn alle Ochsen in dieselbe Richtung ziehen.«
Er machte eine knappe Handbewegung, und sein leisetreterischer Diener huschte von irgendwo aus den Schatten herbei, öffnete die Tür und zeigte damit an, dass die Audienz vorbei war.
Als die Tür zu Theodegrances Privatgemächern hinter Duncan und Aradhrim geschlossen wurde, nahmen zwei bewaffnete Wachen vor dem Kriegsherrn Haltung an. Er warf kaum einen Blick auf sie, sondern ging den Korridor mit langen, federnden Schritten hinunter. Duncan bemühte sich, mit ihm mitzuhalten.
»Verzeih mir, wenn ich dir Schande bereitet habe, Vetter«, sagte er, als die Wachen außer Hörweite waren. »Ich habe eine unpassende Bemerkung gemacht. Aber wir sind den ganzen Weg bis hierhergekommen und haben nichts erreicht.«
»Mach dir darüber keine Sorgen.« Aradhrim klang lässig, aber er sah Duncan nicht an. Er ist wütender, als er zugeben will. Bei Slaines Eiern, ich hätte den Mund halten sollen .
Die Schritte seines Vetters wurden schneller, und am Ende des Korridors nahm er auf der Treppe je zwei Stufen auf einmal. Die Absätze seiner Stiefel klapperten auf dem polierten Marmor. Einige Diener und Schreiber huschten ihm aus dem Weg.
»Was jetzt?«, fragte Duncan.
»Du solltest etwas schlafen. Ich habe hier ein Quartier, das du gern benutzen kannst. Morgen früh reitest du zurück nach Fleet. Die Häuptlinge werden sich in einem oder zwei Tagen versammeln. Du weißt, was du ihnen zu berichten hast.«
»Und was machst du?«
»Ich folge dir sobald wie möglich mit einer Legion.«
»Du bringst Truppen mit? Aber …«
Aradhrim drehte sich zu ihm um. Sein Gesicht wirkte so hart, als ob er damit Steine zerschlagen könnte, und das silbrige Haar
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