Die wilden Jahre
zuzuhören, was Martin anfänglich verärgert hatte.
Später, als er die Tüchtigkeit des Mannes kennenlernte, schätzte er diese Marotte, da sie die Verhandlungen abkürzte.
»Petra Schlemmer«, begann der Finanzmakler, »nicht ganz vierzehn«, setzte er hinzu und diktierte die Adresse.
»Wer ist das?« fragte Holzapfel.
»Meine Tochter.« Martin lächelte. »Vertraulich, übrigens.«
Der Detektiv kannte längst Martins unberechenbare Aktionen, aber dieser Auftrag machte ihn unruhig.
»Ich muß alles wissen«, sagte Martin, »was Petra gern ißt, wer ihre Freundinnen sind; nennen Sie mir Ihre Lieblingsfarbe, ihr Lieblingstier, die bevorzugte Musik und das letzte Buch, das sie las. Sagen Sie mir vor allem, welche Wünsche man ihr abschlug, was sie leiden mag und was sie nicht ausstehen kann – alles muß ich wissen – und so bald wie möglich …«
»Nur Geduld, Maman«, sagte Martin und legte ihr ein Brillantkollier um den Hals, das er telefonisch bei Cartier in Paris bestellt hatte.
»Nimm einstweilen das …«
»Du sehr großer Verschwender!« lobte sie ihn betroffen. »Aber ich will keinen Schmuck …«
»Ich weiß.« Martin lachte und ahmte ihre Sprechweise nach. »Du nur willst 'aben kleine Petra – aber du noch mußt warten ein bißchen. Ihre Mutter sein eine Furie.«
»Sischer«, sagte Madame Rignier überzeugt, »aber du wirst mit ihr fertisch werden.«
»Verlaß dich darauf, Maman.«
Dr. Schiele wartete sechsundzwanzig Minuten im Vorzimmer des Staatssekretärs und ehemaligen Wirtschaftsanwalts, seines früheren Kollegen, und das war ungewöhnlich kurz.
»Freue mich, Sie zu sehen«, begrüßte ihn Dr. Schlemmer höflich. Seine Augen waren alt und kalt, seine Haut grau, durchfurcht.
»Das fragt sich«, erwiderte Dr. Schiele, »muß ich Ihnen – leider – antworten.«
Der Staatssekretär verstand ihn sofort.
»Wegen Petra also. Ausgeschlossen«, entgegnete er, »ich würde vielleicht noch mit mir über einen Modus reden lassen, aber meine Frau auf keinen Fall. Sie ist die Mutter – und so muß ihr die Entscheidung überlassen bleiben.«
»Aber Herr Ritt ist der Vater.«
»Der Vater bin ich«, versetzte Dr. Schlemmer, »durch Adoption eines Kindes, das durch rechtskräftiges Scheidungsurteil ausschließlich der Mutter, meiner Ehefrau, zugesprochen worden ist.«
»Sie wissen, daß es sich hierbei um ein politisches Urteil handelte.«
Der Staatssekretär lächelte. »Was nichts an seiner Rechtskraft ändert.«
Seine welken Hände schoben Aktenstücke von links nach rechts.
»Sie sind doch Jurist, Doktor Schiele? Entweder halten wir uns an rechtsstaatliche Formen – oder aber es werden chaotische …«
»Ich werde in jedem Fall beim Vormundschaftsgericht durchsetzen«, sagte Schiele, »daß Petra einmal im Monat ein Wochenende bei ihrem Vater zubringen darf.« Er lächelte. »Bei ihrem natürlichen Vater. Nicht bei ihrem juristischen.«
»Wie Sie das durchsetzen wollen …«
»… das ist meine Sache«, antwortete Dr. Schiele.
»… und wie lange Sie brauchen werden …«
»… ist die Frage gerichtlicher Termine – in die Sie sich hoffentlich nicht einmischen werden, Herr Doktor Schlemmer.«
Der Staatssekretär dachte gereizt: er hat schon viel von diesem widerwärtigen Ritt gelernt …
»Sie drohen mir?«
»Ja.«
»Womit?« fragte Dr. Schlemmer.
»Notfalls mit einem Presseskandal. Verstehen Sie: Schlagzeile in Boulevardzeitungen mit Millionen Auflage: HERZLOSER POLITIKER VERWEIGERT GEBROCHENEM VATER DAS EIGENE KIND.«
»So weit gehen Sie also?«
»Noch weiter«, erwiderte Schiele.
»Gut«, entgegnete der Staatssekretär. »Jedes vierte Wochenende – Sonnabend mittag zwölf Uhr Abholung von der Schule, Rückkehr Sonntag zwanzig Uhr. Müssen wir das schriftlich festlegen?«
»Ich bitte darum«, antwortete Ritts Beauftragter.
»Ich schicke Ihnen die Vereinbarung zu.«
»Besten Dank, Herr Staatssekretär.«
»Sie brauchen sich nicht zu bedanken«, sagte Heinrich Schlemmer. »Denken Sie ein wenig an meine Frau – und hoffen Sie, daß ich keine Gelegenheit habe …« Er warf einen Blick auf den Terminkalender. »Sie entschuldigen – ich habe noch einen langen Tag vor mir.«
Dr. Schiele ging, ein nachdenklicher Sieger.
Germaine Rignier stand am Fenster. Trotz der Beruhigungspillen, die ihr Martin vorsorglich gegeben hatte, war sie aufgeregt, als der offene Sportwagen an der Villenauffahrt hielt. Martin hatte nicht den langen Mercedes,
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