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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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ich sie – verkaufen.«
    Schieles Gesicht blieb starr, aber seine grünen Augen wirkten nicht mehr wie stumpfe Glaskugeln; sie glänzten. »Sie wollen Ihr Unternehmen in eine Aktiengesellschaft verwandeln, um dann Ritt-Papiere an der Börse einzuführen?«
    »Richtig.«
    »Das habe ich theoretisch bereits durchgespielt«, entgegnete der Jurist, »das ist eine heiße, spekulative Sache.« Er redete wie im Selbstgespräch. »Gleichzeitig die Möglichkeit einer Chance und die Wahrscheinlichkeit eines Fehlschlags. Die Banken werden abraten, die Börsianer abwinken, die Käufer abwarten …« Er unterbrach sich, er sah, daß ihm Martin schweigend zustimmte. »Was machen Sie, wenn Sie auf Ihrem Angebot sitzen bleiben?«
    »Dann wäre ich blamiert.«
    »Und am Ende, Ritt. Kein Mensch – auch keiner in New York oder London – könnte noch helfen. Das wissen Sie?«
    »Weiß ich alles, aber ich sehe keinen anderen Weg; es ist der berühmte Pfiff auf dem letzten Loch.« Er stand auf. Schiele bemerkte, daß Martin darauf verzichtete, seine Besorgnis hinter Überheblichkeit zu verbergen. »Sie, Schiele, gehen davon aus, daß die Ritt-Papiere von dem herkömmlichen Börsenpublikum gekauft würden. Ich denke an andere Interessenten. Verstehen Sie: jahrelang haben gewisse Zeitungen falsches Zeug über mich gebracht – es soll sich nun verzinsen.«
    »Vom Volkshelden«, spottete der Jurist, »zur Volksaktie.«
    »Sie werden erleben, daß sich Druckerschwärze vergolden läßt. Aber ich möchte fair sein, Schiele. Ich biete Ihnen an, vor Anlauf der Umwandlung Ihre Beteiligung an meiner Firma gegen Barzahlung zum Tageswert zu übernehmen.«
    »Das ist doch nicht Ihr Ernst, Ritt?«
    »Doch«, antwortete Martin.
    »Sie würden mich auszahlen?«
    »Ich sagte es.«
    »Sie kennen den Verkehrswert?«
    »Schiele«, erwiderte Martin, »ich weiß doch, was meine Firma wert ist. Also …«
    »Nein«, erwiderte der Jurist ruhig.
    »Wenn ich Sie recht verstehe«, sagte Martin, »sind Sie also mein erster Aktionär?«
    »Vorläufig. Aber glauben Sie nicht, daß ich mich Ihnen als Testperson zur Verfügung stelle. Es geht um etwas anderes – zwischen uns.« Schiele goss sich nach, mit unruhiger Hand. »Erinnern Sie sich noch an unsere ersten Auftritte? Sie warfen mir Zigaretten vor die Füße – ich gewöhnte mir das Rauchen ab. Es war eine Lösung; wir standen remis. Dann schenkten Sie mir Anteile an Ihrer Gesellschaft …«
    »Wollen Sie mir eigentlich Angst machen?«
    »Ich will Sie das Rauchen lehren«, entgegnete der Jurist. »Aber vorher ziehen wir noch gemeinsam in unsere letzte Schlacht.«
    Martin merkte, daß er auf die neue Arbeit brannte, und so befassten sie sich mit Einzelheiten – ein Spieler, der rechnen wollte, und ein Mathematiker, der sich vom Spiel verführen ließ.
    Professor Sturm wohnte in der Nachbarvilla und beendete täglich einen ausgedehnten Morgenspaziergang mit einer Visite bei Madame Rignier; den ungeschlachten Hünen und die zierliche Französin verband freundschaftliche Zuneigung. Der bekannte Internist mit den fast unförmigen Händen stand in dem Ruf, zu seinen Patienten ungewöhnlich feinfühlig und zu deren Angehörigen ungewöhnlich grobschlächtig zu sein.
    Er war in einen Aprilschauer geraten und übergab mürrisch dem Mädchen seinen durchnässten Mantel. Dann sah er Martin, der ihm in der Diele aufzulauern schien, und sagte: »Gehen Sie mir aus dem Weg, junger Mann.«
    »Lieber Professor«, erwiderte der Hausherr, »ich bin nicht Ihr Student. Ich habe keine Angst vor dem Examen. Sie sind der Arzt meiner Mutter und werden mir deshalb fünf Minuten …«
    »Zwei«, unterbrach ihn der Arzt; er ging in den Salon voraus. Groß und wuchtig, wirkte er wie eine Demonstration von Kraft und Gesundheit, aber er war herzkrank. »Germaine ist eine zarte Person«, sagte er, seinen Unwillen zeigend, eine derart einfache Sache so häufig erklären zu müssen. Die Patientin habe eine anfällige Konstitution, sei auch nicht mehr die Jüngste, dazu sei die Jahreszeit von Übel, sie brauche Ruhe und einen vernünftigen Sohn. »Nicht einen Egoisten«, schloß der Professor, »der sie zwingt, ihn nach New York zu begleiten.«
    »Maman wollte unbedingt mitfliegen.«
    »Hören Sie schon auf!« erwiderte der Professor. »Als ob Sie sich sonst nicht durchsetzen würden.«
    Martin fragte, ob der Mutter St. Moritz bekäme, und der Professor erwiderte, daß ihr Höhenluft, Sonne und vor allem Petra nicht schaden

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