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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Um die Aktion selbst nicht durch ein langes Gefeilsche zu gefährden, schlage ich vor, einen der vier Juden – möglichst nicht die Mutter, da es sich bei ihr um die direkte Verwandte der Amerikaner handelt – mit dem nächsten Transport nach dem Osten zu verschicken. Ich bin ganz sicher, daß dann das Geld, und zwar die volle Summe, sofort auf den Tisch kommen wird, wenn man den Leuten in Übersee glaubhaft klarmacht, (vielleicht durch einen Abschiedsbrief oder dergleichen), in welcher Gefahr jüdische Parasiten heutzutage in Deutschland schweben.«
    3. April 1941:
    Handschriftliche Notiz von Friedrich Wilhelm Ritt: »Ich kann die von Panetzky vorgeschlagene Maßnahme nicht gutheißen und distanziere mich hiermit von dem ganzen Auswandererplan. Selbst wenn ich bedenke, daß es sich bei den Kahns um Menschen handelt, die zu den natürlichen Feinden unseres Volkes gehören, möchte ich doch aus rein menschlichen Gründen eine solche Härte  …«
    4. April 1941:
    »Lieber Kamerad Ritt, … ich bin absolut mit Dir einer Meinung, daß wir uns an Panetzkys Plan in Sachen Kahn nicht beteiligen können. Selbst wenn es mir gelänge, meine rein humanen Argumente auszuschalten, könnte ich schon aus technischen Gründen bei einem solchen Vorhaben gar nicht mitwirken. Als Leiter der Rechtsabteilung beim Gauleiter habe ich mit den Judentransporten glücklicherweise nichts zu tun. Stets zu Deinen Diensten! Dein Egon Silbermann.«
    Martin war auf der vorletzten Seite der Akte, die wohl ebenso ein Alibi für Menschenhändler wie eine Kapitalanlage für die Zukunft sein sollte. Und schon bevor er umblätterte, wußte er, wie es weitergehen würde.
    Seine Augen brannten. Er sah nach draußen, wunderte sich, daß es nicht regnete, sondern die Sonne schien. Er wandte sich wieder der Vergangenheit zu: dem Vater als Lieferanten, Panetzky als Zwischenhändler, Silbermann als Prokuristen – und den Kahns als Handelsware, deren Preis durch Verminderung des Angebots von vier auf drei hochgehalten werden sollte.
    Es war still im Raum. Martin hörte seinen eigenen Atem. Wer, fragte er sich, wer? Der alte Kahn, der nur für seine Firma und seine Familie gelebt hatte? Jakob, der Sohn, der niemals jung gewesen war? Lydia, das lustige Tennismädchen?
    Wer von den vier hatte für das Lösegeld der anderen drei sterben müssen, für den Tausch: Geld gegen Blut?
    Während Martin das Blatt wendete, schienen Bälle gegen seinen Kopf zu fliegen, harte, schnelle weiße Tennisbälle: Schmetterbälle, Flugbälle, Matchbälle. Aufschlag – Treffer. Vorhand – Treffer. Rückhand – Treffer. Treffer. Treffer …
    Martin zog den Kopf tief in die Schultern und las:
    2. Juni 1941:
    Panetzky teilt dem Reichstagsabgeordneten Ritt der Ordnung halber mit, daß die Affäre Kahn erledigt sei. Vater, Mutter und Tochter wären inzwischen nach Portugal weitergefahren, um von dort per Schiff nach Amerika zu reisen. »Trotz aller Beziehungen hat es sich leider nicht verhindern lassen, daß der Sohn Jakob nach Polen geschafft wurde; über sein weiteres Schicksal ist nichts bekanntgeworden. Zwar erreichte auf sehr dubiosen Schleichwegen ein Abschiedsbrief seine Verwandten in Philadelphia; es handelte sich dabei jedoch vermutlich um eine Fälschung.
    Die volle Summe wurde rechtzeitig hinterlegt und steht nach Abzug meiner Provision in Höhe eines Drittels zwecks weiterer Veranlassung zur Verfügung.
    Sicherheitshalber darf ich noch einmal dringend auf unsere Vereinbarung hinweisen, daß alle Unterlagen dieser Sache schon im Reichsinteresse zu vernichten sind.«
    Also Jakob, dachte Martin, stand auf, schloß die Akte, sah das Kleiderbündel, das er sich zurechtgelegt hatte, fegte es mit der Hand vom Tisch. Er wollte das Jagdhaus verlassen, dachte dann an den US-Colonel, seinen unbekannten Gastgeber, hängte die Anzüge wieder in den Schrank, warf die Hemden hinterher, stieg durch das Fenster und schloß die Läden.
    Der rundliche Fahrer schlief im Jeep. Er hatte die Beine auf das Steuerrad gelegt und den Kopf auf die Knie gestützt. Sein Gesicht träumte auf einer üppigen Badeschönheit der Stars and Stripes. Der Mann hörte Martin kommen, fuhr benommen hoch, lächelte leer und stand auf.
    »Can I help you?« fragte er mit schläfriger Stimme.
    »Thank you.« Martin winkte ab.
    Der GI sah, daß Martin nichts in der Hand hielt als einen Schnellhefter, und fragte:
    »That's all?«
    »Das ist alles.«
    Sie rollten nach Frankfurt zurück. Vor dem

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