Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)
ihr alle miteinander die Milchkannen in den Kühlraum!« Nach ein paar Schritten wandte er sich noch mal um. »Ich mach euch in der Zwischenzeit eine heiße Schokolade und sage Giulia Bescheid, dass ihr sie besuchen kommt!«
Baff schauten Lilli und Ole ihm nach.
»Papa kann nie lange böse sein!«, sagte Vroni und half Ole und Lilli beim Abladen der Milchkannen.
Lilli, Vroni und Ole balancierten vier Tassen heiße Schokolade aus der Küche des Berghofs hinüber in den Nebenraum, der Herrn Staigers kleines Museum beherbergte. Giulia saß auf einer Eckbank vor ihrem Notebook.
Vroni stellte eine Tasse vor Giulia ab und setzte sich zusammen mit Lilli und Ole an einen Nebentisch.
Giulia schwärmte vom schnellen Internet, über das der Berghof verfügte, und tippte fleißig auf ihrem Notebook herum.
»War Gelatino hier?«, fragte Ole.
Giulia nickte geistesabwesend. »Er wollte mit mir nach Hochdorf fahren, aber ich …« Sie tippte ein paar Worte und löschte sie gleich wieder. »Aber ich bin viel zu beschäftigt!« Sie versank wieder in ihrer Arbeit.
Lilli schlürfte den letzten Schluck der köstlichen Schokolade und trat dann vor ein kleines Regal mit unterschiedlich großen und ziemlich zerfledderten Büchern.
»Das sind alles Gipfelbücher«, erklärte Vroni, »nicht nur vom Hausberg, auch von anderen Bergen hier.«
Neugierig geworden, blätterte Ole durch die vergilbten Seiten eines besonders verwitterten Buchs.
»Manche sind mehr als hundert Jahre alt!«, sagte Vroni.
Lilli beugte sich über Oles Schulter und las die alte Schrift auf dem fleckigen Papier.
In Liebe vereint. Franziska und Antonio
. Um die mit Bleistift geschriebenen Worte rankte sich ein herzförmiger Blumenkranz. Die Blüten waren mit blauer Tinte gemalt und so verblasst, dass man sie gerade noch erahnen konnte.
Vroni nahm eins der vielen Bergsteigerbilder von der Wand.
»Antonio ist bei einem Schneesturm abgestürzt.« Vroni reichte Lilli das Schwarz-Weiß-Foto. Es war das Bild von dem jungen Bergsteiger, dem die welligen Haare so lustig ins Gesicht hingen und das Lilli schon bei ihrem ersten Besuch hier in seinen Bann gezogen hatte. Mit der Fingerspitze berührte Lilli den Trauerflor, der das Bild zierte. Auf der Rückseite des Rahmens stand
A. Kofler
. Unter den Namen war ein Kreuz gezeichnet, neben dem ein fast sechzig Jahre zurückliegendes Datum stand.
»Vroni!« Vronis Mutter streckte den Kopf herein. »Räumst du bitte die Geschirrspülmaschine ein, ich muss unseren neuen Gästen ihr Zimmer zeigen!«
Vroni nahm Lilli rasch das Foto weg und hängte es wieder an die Bilderwand des Bergmuseums zurück, nahm die leeren Tassen mit und lief hinüber in die Küche.
Lilli und Ole halfen Vroni, räumten das Geschirr von den Tischen in der Gaststube ab und reichten es ihr durch die Durchreiche in die Küche.
Danach rief Lilli vom Telefon des Staigerhofs aus zu Hause an. Ihr Vater ging ran und erzählte, dass das Baby noch keinerlei Anstalten machte, auf die Welt zu kommen. »Aber Luisa und ich haben schon einen Kinderwagen gekauft!« Er seufzte kurz ins Telefon. »Ein Autokauf ist ein Kinderspiel dagegen. Die Kutsche hat luftbefüllte Spezialreifen und eine Handbremse!«
Lilli lachte, erkundigte sich noch nach den Hühnern und natürlich nach Sneaker und bat ihren Vater, auch den Eltern ihrer Freundinnen Bescheid zu geben, dass es ihnen allen gut ginge.
Nach Lilli telefonierte Ole noch kurz mit seiner Mutter und Giulia wesentlich länger mit Justin. Als Giulia nach einer halben Ewigkeit endlich auflegte, bedankten sich alle drei bei Vroni, verabschiedeten sich und machten sich auf den Rückweg zur Hadersdorfer-Alm.
Bevor der Weg sie in den Wald hineinführte, warf Lilli noch einen Blick zurück zum Staigerhof. Vroni war nicht zu sehen, aber Herr Staiger hockte vor dem Haus mit zwei jungen Touristinnen und zeigte ihnen etwas auf einer Wanderkarte. Ihr schrilles Lachen drang bis zu Lilli herauf und in ihren knapp geschnittenen Shorts und den hochhackigen Schuhen sahen die beiden Frauen nicht gerade wie Bergsteigerinnen aus.
»Der Charme des Naturburschen!« Giulia grinste Lilli von der Seite an. »Kein Wunder, dass der Staigerhof ausgebucht ist!«
Lilli nickte und stutzte. Auf einem der Balkone stand Vronis Mutter auf einen Besen gestützt und rauchte. Im Gegensatz zu ihrem sonnengebräunten Mann, der unten fröhlich mit den Touristinnen schäkerte, sah sie grau und müde aus. Giulia bemerkte Lillis Blick. »Vronis Mutter ist nicht
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