Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)

Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)

Titel: Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmid
Vom Netzwerk:
winzigen Ole.
    Lilli hatte vorhin zufällig mitbekommen, wie Ole seinem Bruder Bescheid gesagt hatte, dass er auf eigene Faust die Gegend erkunden wolle. Nach Giulias Regeln durfte man sich nur zu zweit von der Alm entfernen, aber trotzdem hatte Lilli Ole ziehen lassen, wenn auch mit leisen Bedenken.
    Lilli balancierte bis ans Ende des Geländers, stellte sich auf die Zehenspitzen und sah Ole gerade noch zwischen den Bergkiefern verschwinden. Aus Giulias Kammer drang gedämpfte Musik, und als würden auch Wind und Wald den Rhythmus wahrnehmen, wogten die Baumwipfel im Takt.
    Lilli sprang vom Geländer und schlich sich an Giulias Kammer vorbei und die Stiege hinauf.
    »Enya?« Nach der Helligkeit draußen mussten sich Lillis Augen erst an das spärliche Licht gewöhnen. Enyas Silhouette zeichnete sich dunkel vor dem Giebelfenster ab.
    »Die anderen laufen den Weidezaun ab«, fing Lilli an. »Ein paar Stellen haben sie neulich doch nur behelfsmäßig repariert.« Sie kauerte sich neben Enya. Über ihrer Schulter sah sie den weißen Berg.
    »Denkst du, der Gipfel ist immer mit Schnee bedeckt?«, fragte Enya. »Unter ewigem Eis, immer im Dunkeln?«
    Lilli wollte Enyas düsterer Stimmung etwas entgegensetzen und versuchte, möglichst fröhlich zu klingen. »Oben auf der andern Seite vom Wald gibt es einen Windbruch. Dorthin will ich die Ziegen führen.«
    Enya schwieg abwartend.
    »Da soll die schönste Bergwiese weit und breit sein. Die Lieblingsweide der Ziegen!«, fuhr Lilli fort und kramte ihr Taschenmesser aus ihrem Gepäck. »Deshalb stehen die immer oben am Durchlass, weil sie da rauf wollen!«
    »Sagt wer?«
    Vroni hatte Lilli vorhin davon erzählt, aber Lilli ließ das jetzt lieber unerwähnt. »Kommst du mit? Allein trau ich mich nicht.«
    Enya wandte den Kopf. In ihren schwarzen Augen spiegelte sich hell und klar das Giebelfenster mitsamt dem weißen Berg. »Schaffen wir das denn zu zweit?«, fragte sie. »Was, wenn uns die Ziegen durchbrennen?«
    »Wenn Milli gemolken werden will, läuft sie von ganz alleine zurück zum Stall und die andern auch. Dazu brauchen sie keine Ziegenflüsterin!« Lilli knuffte Enya aufmunternd. »Komm, wir schreiben Giulia einen Zettel!«

    Abenteuerlustig scharten sich die Ziegen um Lilli und Enya. Lilli öffnete das kleine Gatter vor dem Durchlass, sofort drängten sich die Ziegen hindurch und galoppierten bergauf. »Zum Glück kennen sie den Weg!« Lilli brach am Waldrand für sich und Enya zwei Äste ab, um sie als Hirtenstäbe zu benutzen.
    Lange nach den Tieren erreichten die beiden Hirtinnen eine Kuppe. Hier musste vor einigen Jahren ein wirklich schlimmes Unwetter gehaust haben. Kreuz und quer lagen umgestürzte Bäume zwischen zersplitterten Stümpfen, Wurzelstöcke ragten bizarr aus der Erde. Das musste der Windbruch sein, den Vroni erwähnt hatte. Inmitten all der Verwüstung wuchs neues Grün. Kniehohe Tannen- und Fichtenbäumchen standen zwischen kriechenden Latschenkiefern. Über dem Windbruch erstreckte sich eine blütengetupfte Almwiese bis hin zu einer aus Steinbrocken aufgeschichteten Trockenmauer, hinter der sich etwas weiter bergauf eine Berghütte an den Hang schmiegte. Anders als das Haus der Hadersdorfer-Alm bestand diese Hütte ganz aus Holz, sie hatte keine Fensterläden und das silbergraue Schindeldach war mit Steinen beschwert. Direkt an die Hütte schlossen sich ein niedriger Stall und eine kleine Scheune an.
    Als wollte sich Milli für den Ausflug bedanken, stupste sie ihre Nase in Lillis Handfläche und kitzelte sie mit der Zungenspitze zwischen den Fingern. Lilli streichelte den borstigen Kopf der Ziege. Milli betrachtete Lilli durch ihre eckigen Pupillen, ließ Ziegenköttel fallen und sprang davon.
    Lilli und Enya durchquerten die Senke. Lilli breitete ihre Jacke am Fuß der Mauer aus, ließ sich darauf nieder und klappte ihr Taschenmesser auf. Enya pflückte Blumen, während Lilli an die warme Steinmauer gelehnt ihren Hirtenstab verzierte. Die ganze Wiese summte und brummte vor lauter Bienen. Gedankenverloren kerbte sie ein sich um den Stock rankendes Muster in die Rinde.
    »Oh, nein!« Mit ihrem Blumenstrauß aus Nelkenwurz, Trollblumen und Alpenmohn zeigte Enya über Lillis Kopf hinweg. Milli hatte sich von der Herde entfernt, sie sprang an einer eingestürzten, besonders niedrigen Stelle über die Steinmauer und schon wollten ihr die anderen Tiere meckernd hinterherlaufen.
    »Halt du die andern in Schach!« Lilli warf das Taschenmesser auf ihre

Weitere Kostenlose Bücher