Die Wildkirsche. Erotischer Roman
glanzlos und trüb. Nein, so gut konnte nicht einmal der beste Schauspieler eine Rolle verkörpern.
Nachdenklich rieb sich Beaumont die Stirn. Natürlich gab es keine Werwölfe, jedoch war es historisch belegt, dass es zu allen Zeiten Wildkinder gegeben hatte, die isoliert in den Wäldern aufwuchsen, manchmal sogar von Tieren aufgezogen wurden, und die keine menschlichen Sitten kannten. Es existierten wenige Fälle, die ausführlich dokumentiert worden waren, doch die wenigen, die es gab, hatte er studiert, als er noch an der Universität war. Man hatte versucht, die Wolfskinder in das gesellschaftliche Leben zurückzuführen, ihnen Werte beizubringen, die Sprache zu lehren. Meist waren die Versuche erfolglos geblieben. Man hielt sie für schwachsinnig und brachte sie schließlich in einer Anstalt unter, wo sie ein trauriges Dasein fristeten und meist recht schnell verstarben.
Der Schrei einer Frau riss Beaumont aus seinen Gedanken. Sein Blick schweifte zur Bühne, auf der die drei Männer mit vereinten Kräften an der Kette des Wolfsmenschen zogen. Er war ins Publikum gesprungen. Zwei der Männer packten ihn an den Armen, der dritte riss an der Eisenkette, bis das Lederband den Wolfsmann strangulierte. Die Menge wich zurück. »Was für eine bösartige Kreatur!«, ertönten Rufe.
»Komm jetzt!«, brüllte einer der Männer, nachdem sie ihn auf die Bühne zurückbefördert hatten. Als sich der Wolfsmensch ihm zuwandte und gefährlich knurrte, hob er den Rohrstock.
»Schafft diesen Kerl endlich fort!«
»Eine Unverschämtheit, so etwas habe ich ja noch nie erlebt!«
Der Stock schnellte auf den ungeschützten Rücken des Wilden nieder und hinterließ einen kräftigen, rot schimmernden Abdruck.
»Aufhören!«, erhob Beaumont Protest, als er die Misshandlung sah. Doch niemand reagierte auf seinen Einwand. Im Gegenteil, die Leute belohnten den Gaukler mit Applaus und Zurufen.
Der Beifall schwoll derart an, dass der Wolfsmann verängstigt zum Ende der Bühne zurückwich, ohne jedoch den heftigen Hieben entrinnen zu können, die ohne Unterlass auf ihn niederprasselten.
»Lass es gut sein«, beruhigte der katzenhafte Jüngling seinen Gefährten und hielt ihn davon ab, den Wilden erneut zu schlagen. Dann griffen die Brüder nach den Armen des Wolfsmannes und schleiften die jaulende Gestalt aus dem Zelt. Kurz darauf kam einer der Männer zurück und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Beschwichtigend hob er die Hände, um das aufgebrachte Publikum zu beruhigen.
»Warum ist der Wolfsmensch von der Bühne gesprungen? Hast du das gesehen, Giffard?«, fragte Beaumont verwirrt.
»Er hat eine Frau angegriffen. Plötzlich ging er auf sie los, ohne ersichtlichen Grund.«
Beaumont blickte zu der jungen Dame, um die sich einige Herren versammelt hatten. Sie war hübsch, hatte jedoch nichts Auffälliges an sich, was einen plötzlichen Übergriff gerechtfertigt hätte. Auch schien sie den Wolfsmann nicht provoziert zu haben, schenkte er ihren Worten, sie habe wirklich nichts getan, Glauben.
»Meine Damen und Herren, es war nicht vorherzusehen, dass so etwas geschehen würde. Ich bitte Sie inständig um Verzeihung.«
»Ich verlange mein Geld zurück, verdammte Gauklerbande!«
»Mit diesem Pack gibt es nur Ärger!«
»Wir verzichten in diesem Fall selbstverständlich auf die Bezahlung. Ihre Eintrittsgelder erhalten Sie an der Kasse zurück.« Er deutete zum gegenüberliegenden Ausgang des Zeltes. Seine Worte beruhigten die Leute recht schnell. Etwas anderes hatte Beaumont von den Menschen nicht erwartet. Die meisten begaben sich zum Kartenverkäufer, um ihr Geld einzufordern, sodass sich eine lange Reihe vor seinem Stand bildete.
»Was machen wir nun?«, fragte Giffard, der mit Beaumont am Bühnenrand stehen geblieben war. »Ich habe keine Lust, mich dort anzustellen. Und von Vorführungen habe ich für heute ebenfalls genug. Wie wäre es mit einem Rotwein in der Taverne für mich und einem Glas Orangensaft für dich?«
»Warte einen Augenblick«, sagte Beaumont und blickte zu dem katzenhaften Gaukler, der von der Bühne sprang und das Zelt verließ. »Ich muss etwas erledigen«, sagte er dann ernst und folgte dem Jüngling nach draußen, wo er ihn jedoch zwischen den Wagen aus den Augen verlor.
»Wo willst du denn hin?«, fragte Giffard, nachdem er Beaumont eingeholt hatte.
»Ich suche etwas Bestimmtes.«
»Und was, wenn man fragen darf?«
Beaumont blickte sich um, ohne Giffard zu antworten. In der
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