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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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der den Zorn der Sklaventreiber zu spüren bekäme. Jack machte eine Schürfpause, sah ins fließende Wasser hinab und erblickte den wunderschönen, tief blauen Himmel, der sich dort spiegelte. Vielleicht wusste Reese ja von ihm, Archie und William, und baute darauf, um seine eigene Flucht damit zu unterstützen.
    Vielleicht hatte Merritt es ihm erzählt.
    Ein Schatten glitt vor ihm vorbei, und er bewegte seine Pfanne wieder, kippte Wasser und Sand in den Fluss.
    Sie schufteten, bis es Abend wurde und zu dunkel war, um weiterzumachen. Dann scheuchten die Sklaventreiber sie wieder in die Mitte der kreisförmig angeordneten Zelte. Es waren fünf Zelte, aber Jack war klar, dass sie nicht für die Sklaven bestimmt waren. Die würden am Feuer unter freiem Himmel schlafen müssen, die Fußgelenke an dicke Pflöcke gebunden. Am Feuer lag ein Haufen aus rauen, ungegerbten Tierhäuten, und er konnte schon ihren üblen Geruch riechen. Nach einer Nacht würden sie alle nach toten Tieren stinken, und auch ein Bad im eiskalten Fluss würde den Gestank nicht abwaschen.
    Die Hunde der Sklavenhalter bellten sie an, während die erschöpften Gefangenen sich setzten und aufs Essen warten mussten. Aus einer Büchse, die über dem Feuer hing, kam der Geruch von frischem Kaffee herübergeweht. Jack schloss die Augen und versuchte, den Geruch zu verdrängen. Doch unweigerlich lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Er dachte daran, wie er mit Merritt und Jim auf dem Chilkoot-Pass Kaffee getrunken hatte und wie vertraut ihm die beiden Männer schon damals vorgekommen waren.
    »Es läuft heute Abend«, raunte Jonas, als er nah genug war.
    »Dieser Idiot!«, fluchte Jack. »Erst müssen wir sie beobachten, ihre Schwächen in Erfahrung bringen. Hast du ihre Gewehre gesehen?«
    »Hast du gesehen, wie viel wir heute zu essen bekommen haben?«
    Jack seufzte. Mit gespitztem Mund sah er Jonas an, bemerkte dann einen Aufpasser, der sie im Auge hatte. »Wir ziehen wahrscheinlich flussaufwärts«, sagte er laut.
    »Ja, da wurde auch das erste Gold entdeckt«, ergänzte Jonas. Der Sklaventreiber blickte wieder weg, und Jonas fuhr leise fort: »Wir müssen hier weg! Reese hat einen Plan, er weiß, was er tut und …«
    »Reese wird uns alle umbringen, Jonas.« Jack sah, dass der Mann fast die Fassung verlor, und spürte seine Verzweiflung. Wen hatte er daheim zurückgelassen? Frau und Kind? Seine Mutter, wie Jack, die auf Hilfe von ihrem goldsuchenden Sohn hoffte? Nun saß er hier, gefangen und versklavt wie seine Vorfahren vor wenigen Jahrzehnten, und da kam ein Mann daher, der sagte, er würde für seine Freiheit kämpfen. Jack verstand sehr wohl die Verlockung, die von Reese und seinen Plänen ausging. Er konnte es sehr gut nachempfinden. Ihm war allerdings auch klar, dass die meisten von ihnen um Mitternacht tot wären, wenn der Rädelsführer mit seinen Plänen Ernst machte.
    Und Jack würde als Erster sterben.
    Das Essen kam. Es wurde von ein paar Männern ausgeteilt, die er noch nie hatte sprechen hören. Diesmal bekam Jack die gleiche Portion wie alle anderen. William und Archie waren wohl anderweitig beschäftigt.
    Während die Männer aßen, rutschte Jack nach und nach in die Mitte der Gruppe. Dort saß Merritt und neben ihm Reese. Es war ihnen sehr wohl bewusst, dass Jack näherkam.
    »Merritt«, sagte Jack und kaute auf einem zähen Stück Trockenfleisch. Merritt nahm ihn kaum zur Kenntnis. Er sah ihn kurz an und blinzelte.
    »Junge«, sagte Reese, »immer noch nicht zur Vernunft gekommen?«
    »Ich bin hier nicht der Unvernünftige«, entgegnete Jack. »Du wirst uns alle umbringen, und ich werde als Erster daran glauben müssen.« Er sah Merritt an, als er das sagte, und hoffte auf irgendeine Reaktion, doch es kam keine.
    »Was soll an dir so besonders sein?«, erwiderte Reese.
    »Ich habe Archie schon eine Tracht Prügel verpasst«, erklärte Jack. »Als wir in Dawson waren. Er hat mich auf dem Kieker und wartet nur auf seine Gelegenheit. Wenn du mit deinem Plan heute Nacht Ernst machst, kriege ich die erste Kugel ab.« Reese grunzte und zuckte die Achseln. Jacks Fuß schnellte vor und traf den großen Kerl am Bein. Reese blitzte ihn wütend an. »Und du kriegst die zweite«, fuhr Jack fort. »Ich wette, William wird Rache wollen, wenn seine Sklaven rebellieren. Dann wird er nämlich nach Dawson zurückgehen müssen, um Nachschub zu holen, oder vielleicht einfach das nächste Goldgräberlager überfallen, vielleicht eins mit Frauen und

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