Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
Vom Netzwerk:
daran erinnern, jemals so erschöpft gewesen zu sein. Trotzdem konnte er nicht schlafen. Er lag auf dem Rücken und starrte die Sterne an. Der Nachthimmel entzog sowohl dem Boden als auch Jack die Wärme, egal, mit wie vielen Tierhäuten er sich zudeckte. Denn obwohl ein paar von den Männern ihm ihre hingeworfen hatten, schaffte er es nicht, sich zu wärmen. Er staunte über die Anzahl der Sterne am Himmel und fragte sich, wie viele andere Menschen im Yukon lagen, die genau wie er den Himmel anstarrten und von einer goldenen Zukunft träumten. Obwohl Jacks Situationganz anders war – Beulen und blaue Flecken und sein Fuß an einen Pflock im Boden gefesselt –, fühlte er sich trotzdem frei. Es gehörte mehr dazu, die Seele eines Menschen gefangen zu nehmen, als ihn zu fesseln und niederzuschlagen.
    Jack blinzelte, seine Augen waren schwer und wund vor Müdigkeit. Er hörte die anderen Männer um ihn herum schnarchen und hoffte, dass Merritt schlafen konnte. Hab heut dein Leben gerettet , dachte er und war sich sicher, dass Merritt das auch verstand. Er hoffte, das sie es alle verstanden, auch Reese. Er hatte dem Hünen keinen dauerhaften Schaden zufügen wollen.
    Er versuchte, sich mit seiner Wahrnehmung jenseits des Lagers zu versetzen, abseits der Wachen und der Gefangenen, um die Dunkelheit zu erkunden und um zu erfahren, wer oder was dem Kampf zugesehen hatte. Auch als Archie ihn mit Holzknüppel und Fäusten geschlagen hatte, fühlte sich Jack von etwas aus der Ferne beobachtet, von etwas Schrecklichem. Und als er das Bewusstsein verlor, hatte er sich fast wie der Beobachter gefühlt. Er hatte sich ganz weit weg von seinen Schmerzen empfunden, als leide er nur hier vor Ort darunter, aber beobachtete sich eigentlich aus der Ferne.
    In ihm brannte ein Hunger, wie er ihn noch nie verspürt hatte. Es war nicht nur ein Hunger nach Nahrung, nach richtig gutem Fleisch, wie er es seit der Jagd von der Hütte aus nicht mehr gegessen hatte. Oder nach Obst und Gemüse, wie sie es in Dawson wenigstens in kleinen Mengen bekommen hatten, sondern nach etwas Seelischem. Etwas Tieferem.
    Verzweifelt lauschte er nach dem vertrauten Wolfsgeheul, und als er es nicht hörte, fühlte er sich so einsam wie noch nie zuvor in seinem Leben. Irgendwann schlief Jack endlich ein.In seinem Traum berührte etwas sein Gesicht. Es war kühl und feucht, und Jack hob eine Hand, um es abzuwehren. Etwas anderes streifte seinen nackten Fuß. Unter den Tierhäuten, mit denen er zugedeckt war, bewegte sich etwas auf ihn zu. Er kam sich gefangen und angegriffen vor und geriet ein bisschen in Panik, als das Ding näher kam. Er spürte die seltsame Wärme des Dings, doch als es seinen Bauch berührte, war es kalt und nass.
    Er machte die Augen auf. Schatten umringten ihn, die im Licht des fast erloschenen Lagerfeuers völlig geräuschlos und kaum sichtbar waren. Er hielt die Luft an und setzte sich auf. Als die Schmerzen von der Tracht Prügel ihn wieder überkamen, wusste er, dass es kein Traum war.
    Um ihn herum standen zehn Schlittenhunde und starrten ihn an. Sie hatten ihn mit der Schnauze wachgestupst, doch nun, da er wach war, sahen sie ihn einfach nur an. Diese Tiere waren genauso wie Jack und Merritt die Sklaven von William, Archie und ihrer Bande. Sie hatten die Hunde gestohlen, so wie sie Hals räudigen kleinen Köter klauen wollten, als Jack und Merritt ihnen zum ersten Mal begegnet waren.
    Er sah von einem zum anderen. Das Mondlicht spiegelte sich in den dunklen, feuchten Augen der Hunde. Keiner von ihnen gab auch nur einen Laut von sich. Keiner sah weg, nicht mal kurz, auch als er seine Arme unter den Tierhäuten hervorstreckte und über seiner Brust verschränkte. Es ist so irrsinnig kalt , dachte er und sah zum Feuer. Man hatte es niederbrennen lassen. Um es herum konnte er die Gestalten seiner schlafenden Mitgefangenen erkennen. Um sie standen wiederum die Zelte der Sklaventreiber als bleiche Schatten im Licht der Sterne. Und irgendwo jenseits der Zelte, so wusste er, hielten mindestens drei Sklaventreiber Wache.
    Oder hätten Wache halten sollen.
    »Eigentlich hätten sie schon längst nachsehen sollen, was hier los ist«, flüsterte er. Einer der Hunde kam vorsichtig näher.
    Jack wich vor ihm zurück. Er wusste, wie bissig Schlittenhunde sein konnten. Doch dann merkte er, dass keine Bedrohung von dem Hund ausging, und atmete erleichtert auf. Sie umgaben ihn, aber umzingelten ihn nicht. Er streckte probeweise eine Hand aus, und der

Weitere Kostenlose Bücher