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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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ihre Kontrolle zu bringen. Wenn darüber hinaus die Türken aus Arabien verjagt und die Araber ihre Verbündeten wären, würde dies für die Briten neue Zugangswege und größere Einflussmöglichkeiten im Mittleren Osten eröffnen.
    Um dieses Ziel zu erreichen, hatten die Briten Verbindungen mit Hussein, dem Sharif von Mekka, und mit Faisal, seinem Sohn, aufgenommen. Faisal sollte die Revolte gegen die Türken anführen, und die Briten wollten sie finanzieren. Lawrence, der nach seinem Studium durch Arabien gereist war, Ausgrabungen gemacht und die Sprache und Sitten der Einwohner studiert hatte, wurde zu Faisals Ratgeber ernannt. Mit seiner Hilfe und dem Einsatz von Guerillataktiken hatten die Beduinenkämpfer bereits eine Reihe von Garnisonsstädten eingenommen. Sie waren auch in der Lage gewesen, türkische Truppen zu binden, indem sie Abschnitte der Hedschas-Bahn sprengten und die Türken so zwangen, sie ständig zu verteidigen.
    Willa war nun seit drei Jahren in der Wüste und liebte dieses wilde, unberechenbare Land und seine wilden, unberechenbaren Bewohner. Sie liebte die stolzen, unerschütterlichen Beduinenmänner, die Stammesfrauen mit ihren blauen Kleidern, Schleiern und Juwelen, ihre Sprache und ihre Lieder. Sie liebte die scheuen, herumtollenden Kinder. Und sie liebte Tom Lawrence.
    Wenn auch nicht so, wie sie Seamus Finnegan liebte. Seamie besaß ihr Herz und ihre Seele, und daran würde sich nie etwas ändern. Sie liebte ihn immer noch, obwohl sie wusste, dass sie nie mehr zusammen sein könnten. Der Schmerz dieser Gewissheit quälte sie jeden Tag, genauso wie die Reue, einen Mann geliebt zu haben, der einer anderen gehörte. Während der langen Überfahrt nach Kairo gab es Momente, in denen sie mit Pillen und einem Glas Wasser in der Hand in ihrer Kabine saß und sich das Leben nehmen wollte. Doch dazu war sie nicht imstande gewesen. Selbstmord war ein feiger Ausweg, fand sie. Sie litt zu Recht, sie verdiente es, für ihre Taten zu büßen.
    Lawrence liebte sie als Freund und Bruder, denn das war er für sie. Damals, 1914, als sie Seamie verlassen und mit gebrochenem Herzen, schweren Schuldgefühlen und verzweifelt aus London weggegangen war, hatte Lawrence sie nach Kairo zur Geheimdienstabteilung des Arabischen Büros gebracht und ihr eine Stelle bei der Kartografie verschafft. Ihre Aufgabe bestand darin, alle neuen Erkenntnisse in die Karte der Arabischen Halbinsel einzutragen, sobald Informationen über türkische Bewegungen und Stellungen oder Nachrichten vonseiten verschiedener Stämme eingingen.
    Der Posten, den Lawrence ihr verschafft hatte, war so wichtig und lenkte sie tagsüber so sehr ab, dass ihr keine Zeit blieb, um Erinnerungen nachzuhängen oder zu trauern. Lawrence hatte ihr geholfen zu vergessen – wenn auch nur während des Tages –, dass sie Seamie Finnegan für immer verloren hatte. Und das Opium, das sie in den dunklen Gassen von Kairo kaufte, half ihr bei Nacht. Und mehr wollte sie nicht – nur vergessen. Seamie und ihre gemeinsamen Erlebnisse vergessen. Vergessen, dass sie ihn überhaupt je geliebt hatte, denn ihre Liebe war nichts Gutes, sondern gefährlich und zerstörerisch. Für sie selbst und jeden in ihrer Umgebung.
    Als Lawrence Kairo verlassen hatte, um in der Wüste mit arabischen Truppen unter Emir Faisals Kommando zu kämpfen, war Willa ihm gefolgt. Sie hatte ihre Stelle aufgegeben, ihr Haar abgeschnitten, Männerkleider angezogen, einen Turban aufgesetzt und war mit ihren Kameras auf einem Kamel losgeritten. Alle im Arabischen Büro waren der Ansicht, Tom würde dort draußen sein Leben verlieren. Vielleicht könnte er dafür sorgen, dass sie auch ihres verlor. In Ausübung der Pflicht für sein Vaterland zu sterben war ein ehrenvoller Tod, weitaus besser als Selbstmord.
    Lawrence war wütend, als sie ihn in einem primitiven Lager in der Nähe von Medina einholte. General Allenby ebenfalls. Er ließ ihr ausrichten, dass sie sich weder in einem Lager mit Männern aufhalten noch als alleinstehende Frau in der Wüste unterwegs sein könne. Sie müsse nach Kairo zurück. Sowohl Lawrence wie Allenby setzten ihr zu.
    Bis sie ihre Bilder sahen.
    Bilder des blonden, blauäugigen Lawrence, der in seinem weißen arabischen Gewand mit einem goldenen Dolch im Gürtel umwerfend aussah, und Bilder des dunkelhaarigen, hübschen Faisal mit dem klugen, durchdringenden Blick. Bilder von Auda abu Taji, einem wilden Beduinen und Anführer des Howeitat-Stammes, der an der Seite von

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