Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
Vom Netzwerk:
als er und Fiona ungläubig zusahen, wie ihre Tochter ein Exemplar des Schlachtrufs aus der Tasche zog und es dem König überreichte.
    »Ja, Fee? Was wolltest du sagen?«, fragte er, nachdem er die Sprache wiedergefunden hatte.
    »Vergiss, was ich sagen wollte«, antwortete Fiona lachend. »Nichts ist vorbei. Nichts ist zu Ende. Mit unserer Katie im Getümmel fängt alles erst an.«
    »Joe! Da sind Sie ja!«, rief eine vertraute Stimme. Fiona drehte sich um. David Lloyd George war neben Joe aufgetaucht. »Meine Verehrung, Mrs Bristow. Wie geht es Ihnen heute? Gut, nehme ich an. Ich muss Ihnen beiden sagen, Ihre Tochter ist wirklich ein Teufelsmädchen. Ich hatte gerade eine höchst anregende Unterhaltung mit ihr. Über ihre Zeitung. Sie hat mir ein Exemplar gegeben und mir das Versprechen abgenommen, sie zu abonnieren. Sie ist eine exzellente Verkäuferin und blitzgescheit!«
    »Sie kommt ganz nach ihrer Mutter«, erwiderte Joe stolz.
    »Außerdem hat sie erklärt, dass sie fürs Parlament kandidieren will, sobald sie einundzwanzig ist«, fuhr Lloyd George fort. Mit einem Lächeln in Joes Richtung fügte er hinzu: »Sie sollten auf Ihren Job aufpassen, alter Junge.«
    Joe erwiderte das Lächeln. »Ach, Premierminister, ich finde, Sie sollten lieber auf Ihren aufpassen!«

   51   
    E s heißt, jetzt, nachdem die Yankees mitmachen, ist alles bald vorbei«, sagte Allie Beech.
    »Ich hab gehört, das könnte schon dieses Jahr sein«, antwortete Lizzie Caldwell.
    »Wäre das nicht herrlich? Wenn alle wieder zu Hause wären?«, fragte Jennie Finnegan.
    »Ich erinnere mich, wie mein Ronnie sich eingeschrieben hat. Damals war alles noch ein großer Spaß. Die Jungs zogen los, um den Deutschen ein blaues Auge zu verpassen. In zwei, höchstens drei Monaten wären sie wieder daheim. Alles wäre bloß ein Spaziergang«, erzählte Peg McDonnell.
    »Und jetzt haben wir März 1918, und es geht schon seit vier Jahren so«, wandte Nancy Barrett ein.
    »Und Millionen Tote. Und genauso viele Schwerverletzte in den Hospitälern«, erwiderte Peg.
    »Peg, meine Liebe, reich mir doch bitte mal die Teekanne«, warf Jennie ein, um das Gespräch über Tote und Verletzte zu beenden, bevor es richtig in Fahrt kam.
    Sie saßen in der Küche ihres Vaters im Pfarrhaus von St. Nicholas. Nach Seamies Eintritt in die Marine war sie wieder hier eingezogen. Auf Seamies Wunsch. Er wollte nicht, dass sie mit einem Neugeborenen allein in ihrer Wohnung blieb. Seiner Meinung nach wäre es für sie, den Reverend und den kleinen James besser, während dieses langen und entsetzlichen Krieges zusammen zu sein.
    Jennie legte das Strickzeug in den Schoß und goss sich eine Tasse Tee ein. Gemeinsam mit einem halben Dutzend Frauen der Gemeinde strickte sie Socken für die britischen Soldaten. Dafür trafen sie sich jeden Mittwochabend um sieben.
    Die Strickgruppe war Jennies Idee gewesen. Sie kannte die Frauen in der Gemeinde ihres Vaters und wusste, dass sehr viele von ihnen litten. Sie fühlten sich einsam ohne ihre Männer und hatten Angst, sie nie mehr wiederzusehen. Sie zogen ihre Kinder allein auf, ohne ausreichend Geld und – wegen der U -Boot-Blockade, die keine Versorgungsschiffe nach Großbritannien durchließ – auch ohne genügend Nahrungsmittel. Durch die Lebensmittelrationierung waren alle abgemagert. Jennie sparte sich einen Teil ihrer eigenen Ration vom Mund ab, um für diese Abende eine Kanne Tee und ein paar Plätzchen beisteuern zu können. Doch das tat sie gern, denn das Leben der Frauen – und ihr eigenes – war schwer und unsicher, und es munterte alle auf, einen Abend zusammenzusitzen, zu reden und für die Soldaten an der Front Socken zu stricken, weil es ihnen das Gefühl vermittelte, wenigstens einen kleinen Beitrag zu leisten.
    »Gladys, kann ich dir nachschenken?«, fragte Jennie die Frau, die rechts von ihr saß.
    »Nein, danke«, antwortete Gladys Bigelow, ohne den Blick von ihrem Strickzeug zu heben.
    Jennie stellte die Kanne auf dem Tisch ab und runzelte besorgt die Stirn. Gladys wohnte nicht mehr in der Gemeinde, aber Jennie hatte sie trotzdem eingeladen. Sie machte sich Sorgen um sie. Während die Kriegsjahre sich immer länger hinzogen, war Gladys zu einem Schatten ihrer selbst geworden. Das früher mollige, quirlige Mädchen war jetzt dünn und blass und verhielt sich äußerst reserviert. Jennie hatte sie mehrmals gefragt, was ihr fehle, aber Gladys lächelte immer nur matt und meinte, ihre Arbeit sei

Weitere Kostenlose Bücher