Die Wildrose
alles, was John besaß. Eigentlich wollte er es nicht annehmen, aber er hatte keine andere Wahl. Billys Schläger hatten seine Taschen geleert, bevor sie ihn in Johns Boot warfen.
»Danke«, sagte er. »Ich geb’s dir zurück, das schwör ich.«
John nickte. Die Kleider für Sid lagen ebenfalls auf dem Tisch. Sid nahm das Hemd und zog es an. Die Ärmel waren zu kurz, worüber sie alle lachten, aber es war besser als sein altes. Hose und Jacke passten. John zeichnete eine grobe Skizze von Margate und beschrieb ihm, wie er am schnellsten aus der Stadt hinauskäme.
Nachdem dies geklärt war, schickte sich Sid zum Gehen an. Er dankte John und Maggie nochmals, aber sie wehrten seine Beteuerungen ab.
»Sid, bevor du gehst … kann ich dich noch was fragen?«, sagte John.
Sid nickte.
»Warum bist du zu Teddy Ko zurückgegangen, um dich nach dieser Frau zu erkundigen – die sich umgebracht hat –, dieser Maud Selwyn-Jones? Willst du wirklich dein altes Gebiet zurück, oder warst du einfach nur total bescheuert an dem Tag?«
Sid zog eine Augenbraue hoch. »Weder noch, ich wollte bloß ein paar Informationen. Woher weißt du das überhaupt?« Er hatte John zwar erzählt, dass er bei Teddy Ko gewesen war, aber nicht, warum.
»Weil wir – Madden und ich – kurz nach deinem ersten Besuch bei Ko angekommen sind. Ich hab alles gehört, was Billy und Teddy besprochen haben. Jedenfalls genug, um zu wissen, dass du dich nach dieser Jones umhörst. Und genug, um zu merken, dass deine bloße Anwesenheit Billy fuchsteufelswild gemacht hat. Hast du eigentlich herausgefunden, was du wolltest?«
»Nein, hab ich nicht.«
John und Maggie tauschten ängstliche Blicke aus.
»Was ist?«, fragte Sid. »Wisst ihr was? Könnt ihr mir was sagen?«
»Ich weiß eine ganze Menge«, antwortete John. »Genug, um Billy Madden an den Galgen zu bringen. Was ich liebend gern täte. Aber mich auch. Was mir nicht so lieb wäre.«
Sid setzte sich wieder. »Erzähl’s mir, John. Ich versprech dir, ich halt dich raus aus dem Scheiß.«
John holte tief Luft. »Vor Jahren, kurz vor dem Tod dieser Jones, hat ein Mann namens Peter Stiles bei Teddy Ko Morphium und eine Spritze gekauft. Ich war damals gerade bei Ko und hab die wöchentliche Zahlung für Billy abgeholt. Ich hab Stiles reinkommen sehen. Und hab gesehen, dass er einen kleinen braunen Beutel bekommen und dafür bezahlt hat. Als er fort war, hab ich Teddy gefragt, was es war, und er hat’s mir gesagt.«
»Ich seh den Zusammenhang nicht«, entgegnete Sid. »Der Name Stiles sagt mir gar nichts. Er taucht in keinem Polizeibericht über Mauds Tod auf. Eine Menge Leute kaufen Drogen bei Teddy.«
»Hör zu«, erwiderte John. »Ich kannte Stiles. Im gleichen Jahr, aber einige Zeit vorher, ist er ins Bark gekommen, weil er Madden sprechen wollte. Das war 1914. Er hat verschiedene Dinge mit Madden vereinbart …« John brach ab. Er wirkte gequält. Ganz offensichtlich fiel es ihm schwer, über Peter Stiles zu sprechen.
»Sprich weiter, John.«
»Zu diesen Abmachungen hat gehört, einen Kumpel von Stiles – einen Mann namens Hutchins – auf meinem Boot rauszubringen. Alle vierzehn Tage. In die Nordsee. Zu einer bestimmten Stelle, zu einem anderen Schiff. Stiles hat heiße Ware auf den Kontinent verschoben. Juwelen. Zumindest hat er das behauptet. Aber ich glaub nicht, dass es um Juwelen ging. Wir wurden immer von einem Schiff erwartet, und Hutchins hat dem Kapitän eine Schachtel übergegeben. Dieser Hutchins hat Englisch gesprochen wie du und ich. Aber der Kapitän auf dem anderen Schiff und die Besatzung – die haben Deutsch gesprochen.«
»Um Himmels willen, John«, stöhnte Sid. »Wie lange ging das? Wann hat es aufgehört?«
»Das ist es ja – es hat nicht aufgehört. Hutchins ist tot. Irgendein Kerl hat ihn 1914 umgebracht, aber ich fahr immer noch raus zu dem Schiff. Mit einem neuen Mann – Flynn. Ich will das nicht machen, Sid. Hab’s nie machen wollen. Ich geb Geheiminformationen an die Deutschen weiter. Das weiß ich. Unsere Jungs sterben dort draußen, und ich helf den Deutschen, sie umzubringen. Ich will damit aufhören. Aber ich steck zu tief drin. Madden macht mich kalt. Und was passiert dann mit meinen Kindern?«, fragte er besorgt. Er wandte sich ab, aber Sid hatte die Angst in seinen Augen gesehen – und die kannte er. Dieselbe Angst hatte er früher auch gehabt.
»Madden ist ein Dreckskerl. Aber wir schalten ihn aus, John. Keine Sorge. Wir lassen uns was
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