Die Wildrose
weit.«
Sid holte tief Luft. »Also, John … ich muss schon sagen … das ist ein verdammter Schlamassel. Wir könnten zur Polizei gehen und alles zu Protokoll geben, was du über von Brandt, Flynn und Madden weißt. Vielleicht könnte man irgendeine Kronzeugenregelung für dich aushandeln. Aber was dann? Madden leugnet einfach alles. Es gibt keinerlei Beweise für das Ganze, oder? Es steht einfach Aussage gegen Aussage. Und die Bullen tun nichts, weil sie nichts in der Hand haben. Madden weiß, dass du ihn verpfiffen hast, und geht auf dich los. Das würde ich nicht gerade als eine schlaue Lösung bezeichnen.«
»Ich auch nicht«, warf Maggie ein.
»Wir wenden uns an die Regierung«, sagte Sid. »Erzählen ihnen von von Brandt und Flynn. Erklären ihnen, dass sie dich raushalten müssen. Sie schnappen Flynn auf der Werft mit den Dokumenten. Dann sitzt er in der Scheiße. Du sagst, dass du ihn nie gesehen hast. Dass du keine Ahnung hast, was er in der Werft macht. Damit bist du raus aus der Sache. Auf die Weise unterbinden wir, dass weitere Geheimnisse an die Deutschen übergeben werden, aber dann hat Billy dich immer noch am Wickel. Auch nicht gut.«
Sid stützte die Ellbogen auf, legte den Kopf auf die Hände und dachte intensiv nach. Ein paar Minuten später hob er den Kopf und fragte: »John, Maggie … wie würde euch eine Reise nach Schottland und danach eine noch längere nach Amerika gefallen?«
»Was?«, fragte John.
»Hört zu, was ich euch jetzt sage, dürft ihr keiner Seele weitererzählen.«
John und Maggie nickten.
»Ich hab ein Anwesen. In Amerika. Es ist eine große Ranch in Kalifornien. Direkt an der Küste. Ich hab auch Familie. Sie sind direkt vor dem Krieg nach England gekommen und sitzen seitdem hier fest. Ich selbst bin rübergekommen, weil ich nicht wollte, dass sie die ganzen Jahre allein sind. Wenn dieser verdammte Krieg vorbei ist – falls er jemals vorbei ist –, gehen wir alle wieder zurück. Ich hab die Ranch meinem Verwalter übergeben. Das ist ein tüchtiger Mann, und ich glaube, dass er sich ordentlich darum kümmert, zumindest hoffe ich das. Aber ich suche immer nach fähigen Mitarbeitern. Wie wär’s, wenn ihr nach Schottland gehen würdet, an einen ruhigen Ort auf dem Land, dort eine Weile bleibt und euch dann, wenn dieser ganze Unsinn vorbei ist, auf die Reise nach Kalifornien macht?«
Jetzt war John völlig verblüfft. »Aber wie, Sid? Wir haben doch kein Geld.«
»Aber ich. Ich bezahl’s. Alles.«
»Das können wir nicht annehmen«, sagte Maggie und schüttelte den Kopf. »Das können wir nicht von dir verlangen.«
»Doch, das könnt ihr. Euch ist es zu verdanken, dass meine Frau heute Nacht nicht Witwe geworden ist. Dass meine Kinder noch ihren Vater haben. Dafür stehe ich für den Rest meines Lebens in eurer Schuld. Lasst mich mit dem Zurückzahlen anfangen.«
John und Maggie sahen sich an. Sid erkannte, dass er sie fast überzeugt hatte.
»Stellt euch vor … Ihr wärt raus aus London, weg von Madden. In Sicherheit. Eure Kinder würden am schönsten Flecken der Erde aufwachsen, den ihr euch vorstellen könnt. Mit grünem Gras, blauem Himmel, direkt am Pazifischen Ozean. Ich würde euren Söhnen beibringen, wie man Rinder züchtet, statt dass sie lernen, anderen Leuten den Schädel einzuschlagen und zu stehlen. Eure Tochter hätte frische Luft. Sonnenschein. Na kommt schon, Maggie … John … was sagt ihr?«
Maggie nickte John zu, dann fragte John: »Kannst du das wirklich? Uns alle hier rausholen und nach Kalifornien bringen?«
»Das kann ich.«
»Also gut, dann. Ja. Wir gehen. Aber wie? Wann? Und was machen wir mit Flynn? Und Madden?«
»Ich weiß nicht. Noch nicht. Aber ich überleg mir was. Wir müssen Flynn schnappen, bevor du ihn wieder in die Nordsee rausfährst, dich von Madden loseisen und sicherstellen, dass keiner was merkt.«
»Das ist ziemlich viel auf einmal«, wandte John ein.
»Ja, das stimmt, aber wenn’s einer schafft, euch alle aus London rauszuholen, dann ich. Ich bin ein Meister im Verschwinden. Ich bin schon dreimal in der Themse abgesoffen. Was ein bisschen mehr Überlegung braucht, ist, Flynn zu schnappen. Aber darüber zerbrechen wir uns später den Kopf«, sagte Sid, stand auf und strich das Geld auf dem Tisch ein. »Mein größtes Problem im Moment sind weder die Deutschen noch irgendwelche Spione oder Billy Madden, sondern wie ich mit zwei Pfund und sechs Shilling von Margate nach Oxford kommen soll.«
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