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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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sie, lass es keine türkischen Soldaten sein. Oder Räuber. Bitte. Ich habe diese Karten von so weit hergebracht, lass es gute Menschen sein. Auch wenn sie selbst Lawrence nie mehr wiedersähe, würden diese Reiter die Karten vielleicht an ihren Bestimmungsort bringen.
    Nach einer Ewigkeit, wie ihr schien, traf der voraussprengende Reiter bei ihr ein. Willa sah, dass er ein weißes, mit Staub bedecktes und von Schweiß durchtränktes Gewand trug.
    Es war ein realer Mann, dessen war sie sich sicher, weil er sie anschrie, aber sein Gesicht … Sein Gesicht war eine Halluzination, ein Wahngebilde. Ein letztes Mal zeigte ihr fieberndes Hirn ihr den Menschen, den sie am liebsten sehen wollte – Seamie Finnegan.
    »Willa, mein Gott«, sagte er. »Jetzt ist alles gut. Du bist in Sicherheit. Wir sind hier. Wir bringen dich ins Lager zurück.« In seiner Stimme schwang Angst mit, sie stand auch in seinen Augen.
    Seine Stimme … Sie klang sogar wie Seamies Stimme, dachte sie. Und er kennt meinen Namen. Er muss zu Lawrence’ Leuten gehören. Oh, Gott sei Dank!
    Sie versuchte, mit ihm zu sprechen, ihm zu antworten, bekam aber nichts heraus. Aus ihrer Kehle kam kein Laut. Ihre Stimme war weg. Mit Gesten verlangte sie nach Wasser. Der Mann gab ihr welches. Sie trank, dann keuchte sie, erneut von Krämpfen gepackt.
    Als der Schmerz etwas nachließ, als sie wieder atmen konnte, krächzte sie ihre letzten Worte heraus. Sie schwankte jetzt im Sattel. In ihr war nichts mehr, kein Funken Kraft, kein Wille mehr. Sie war am Ende, aber es war in Ordnung. Jetzt konnte sie loslassen. Der Mann würde ihr helfen.
    »Bitte … Ich habe Karten … Dokumente … Gib sie Lawrence … Sag ihm, Jabal Ad Duruz ist eine Falle … Sag meiner Mutter, es tut mir leid … Sag Seamus Finnegan, ich liebe ihn …«

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    E r ist tot, das weiß ich«, sagte India matt. »Das ist die einzige Erklärung. Er würde doch nicht einfach nur so zum Spaß ein paar Tage lang nicht heimkommen. Ihm ist etwas passiert. Etwas Furchtbares.«
    Es war Sonntagmorgen. Fiona saß mit India und Jennie in der Küche. Sie hatte gerade für alle Frühstück gemacht und die Kinder zum Spielen nach draußen geschickt. Charlotte und Rose hatten Wish, Elizabeth, den kleinen James und Fionas jüngere Sprösslinge bei sich. Die beiden Frauen hatten ihre Kinder ganz bewusst mitgebracht, um die Kleinen von India zu beschäftigen und von den Sorgen über ihren vermissten Vater abzulenken. India erklärte ihnen immer wieder, ihr Dad habe geschäftlich in London zu tun, deshalb sei er nicht daheim, aber inzwischen war schon eine Woche vergangen, und sie konnte dieselbe Leier nicht ewig wiederholen.
    Fiona griff über den Tisch und nahm Indias Hand. Sie hatte während der vergangenen Tage ihr Bestes getan, um ihre Schwägerin – und sich selbst – aufzumuntern, aber es wurde von Minute zu Minute schwieriger. India hatte natürlich recht, Sid würde nie einfach so verschwinden. Nie hätte er India auf diese Weise Sorgen bereitet. Fiona hatte Angst, obwohl sie sich weigerte, sich vorzustellen, dass ihm tatsächlich etwas Schlimmes zugestoßen sein könnte. Und dass daran womöglich jemand aus seiner Vergangenheit schuld war. Aber das Gefühl ließ sie nicht los.
    »Joe wird jeden Moment hier sein«, sagte sie. »Er wird uns berichten, was er herausgefunden hat. Er hat einen der besten Privatdetektive von ganz London engagiert. Der Mann ist ganz sicher auf etwas gestoßen.«
    India hob den Kopf und sah Fiona an. »Ja, aber worauf?«, fragte sie mit Tränen in den Augen. »Ich bin mir sicher, dass er etwas herausgefunden hat, aber ob ich das hören will, bin ich mir ganz und gar nicht sicher.«
    Kurz darauf klopfte es an der Tür. Fiona lief hinaus, um zu öffnen. Es war Joe in seinem Rollstuhl, von Mr Foster begleitet.
    »Hallo, mein Schatz«, sagte Fiona, küsste ihren Mann und begrüßte den Butler. »Was gibt’s Neues?«
    Joe schüttelte den Kopf. »Nichts Gutes, Fee.«
    Fiona sank das Herz. Nicht Sid, dachte sie. Bitte. »Kommt rein. In die Küche«, erwiderte sie mit hohler Stimme. »Da sind India und Jennie. Das erspart dir, alles zweimal erzählen zu müssen.«
    Joe begrüßte die beiden Frauen. Während Jennie für Joe und Mr Foster Tee eingoss, erkundigte sich Joe, wie India sich fühle.
    »Nicht besonders gut, fürchte ich«, antwortete sie.
    Die Angst in ihren Augen war so offenkundig, dass es Fiona wehtat, sie überhaupt anzusehen. Sid war Fionas Bruder, und sie liebte

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