Die Wildrose
ihn, aber für India bedeutete er ihr Leben. Sie hatten schon so viel durchmachen müssen, und es war einfach nicht fair, dass sie ihn jetzt verlieren sollte.
»Was ist geschehen, Joe? Was hat der Detektiv herausgefunden?«, fragte Fiona.
»Wir wissen nicht, was passiert ist«, entgegnete Joe. »Der Detektiv – Kevin McDowell heißt er – hat herausgefunden, dass Sid das letzte Mal gesehen wurde, als er am Sonntag zu Teddy Kos Büro in Limehouse ging. Ko ist ein Importeur. Er betreibt Handel mit China.«
India erinnerte sich an den kleinen Buddha, den sie in Sids Tasche gefunden hatte. »Teddy Ko …«, sagte sie langsam. »Ich kenne den Namen. Er ist auch Opiumhändler. Früher hab ich mal versucht, seinen Laden schließen zu lassen.«
»Er ist immer noch Opiumhändler. Der größte von London«, sagte Joe.
»Warum war Sid wohl dort?«, fragte India. »Was um alles in der Welt kann er von Teddy Ko gewollt haben?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass er gesehen wurde, wie er zu Ko reinging, aber niemand hat ihn wieder rauskommen sehen«, antwortete Joe und zögerte fortzufahren. Das Zögern dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, aber es entging weder Fiona noch India.
»Was, Joe?«, fragte India voller Angst. »Was willst du damit sagen?«
Joe holte tief Luft. »Billy Madden und zwei seiner Handlanger wurden ebenfalls gesehen, als sie zu Ko reingingen. Etwa fünf Minuten nach Sid.«
India schüttelte den Kopf. Dieser Name war ihr ebenfalls bekannt. Ihnen allen. »Warum, Joe? Warum ist er dort hingegangen?«, fragte sie mit versagender Stimme und brach in Tränen aus.
Jennie trat zu ihr hin und legte den Arm um sie.
Fiona sah Joe an. »Billy Madden?«, fragte sie, ebenfalls mit Tränen in den Augen. »Was hatte Sid mit Leuten wie Billy Madden zu tun? Vor Jahren, ja. Aber warum jetzt? Er muss verrückt geworden sein, Joe. Ich versteh das nicht. Ich …«
Sie wurde von einem lauten Türenschlagen unterbrochen. »Peter, bist du das?«, rief sie streng. »Geh bitte wieder raus! Und knall die Tür nicht zu! Das habe ich dir schon hundertmal gesagt!«
»Tut mir leid«, sagte eine Stimme.
Es war nicht Peter.
»Heiliger Himmel!«, rief Joe, als Sid in die Küche trat. »Wie siehst du denn aus?«
India sprang auf, lief zu ihm hin und schlang die Arme um seinen Hals. »Ich dachte, du wärst tot!«, schluchzte sie. »Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen!« Dann packte sie ihn an der Jacke und schüttelte ihn. »Warum bist du zu Teddy Ko gegangen? Und zu Billy Madden? Warum hast du das getan?«, schrie sie ihn an. »Sie hätten dich umbringen können. Und wie’s aussieht, haben sie’s auch fast geschafft!«
»India, woher weißt du das alles?«, fragte Sid verblüfft.
»Wir haben einen Detektiv angeheuert«, warf Joe ein.
»Mummy!«, rief Charlotte, die plötzlich mit Wish und den anderen Kindern in die Küche gekommen war. »War das Daddy, der gerade heimgekommen ist?« Ihr aufgeregtes Lächeln verblasste, als ihr Vater sich umdrehte. »Daddy? Was ist passiert?«, fragte sie ganz blass im Gesicht. Der kleine Wish fing zu heulen an. Sids Gesicht war stark geschwollen und von Schnitten und blutunterlaufenen Flecken entstellt.
»Entschuldigen Sie, Madam«, sagte Mr Foster leise zu Fiona. »Aber könnten Sie mir sagen, wo der Brandy aufbewahrt wird?«
»Im Schrank über der Spüle, Mr Foster«, antwortete Fiona und nahm die hysterisch gewordene India am Arm und führte sie zu einem Stuhl.
Während Sid seine Kinder beruhigte und ihnen erklärte, er habe einen kleinen Unfall gehabt, deshalb sehe er so schrecklich aus und sei nicht gleich nach Hause gekommen, aber jetzt sei er ja da, und Mummy würde sich um seine Verletzungen kümmern, führte Jennie die anderen Kinder wieder in den Garten hinaus. Mr Foster goss den Erwachsenen Brandy ein, dann machte er heiße Schokolade, legte Plätzchen auf einen Teller und bat Charlotte, ihm zu helfen, alles in den Garten hinauszutragen.
»Danke Ihnen, Mr Foster«, sagte Charlotte höflich. »Aber ich brauche weder Kakao noch Kekse. Was ich brauche, ist eine richtige Erklärung.«
»Ist schon gut«, warf Sid ein. »Sie ist jetzt alt genug, um Bescheid zu wissen, was vor sich geht. Sie kann bleiben.« Und zu seiner Tochter gewandt, fügte er hinzu: »Du musst eines Tages ohnehin die Wahrheit über mich und meine Vergangenheit erfahren. Also warum nicht jetzt gleich?«
Während Mr Foster hinausging, leerte India ihr Glas Brandy, und ihr Schluchzen
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