Die Wildrose
wurde. Sie spürte unendliche Liebe und Dankbarkeit für diesen Mann, den ihr das Schicksal immer und immer wieder zurückbrachte, den für sich zu behalten es ihr dennoch nicht erlaubte.
»Ich dachte , er sei hier, Fatima. Die ganze Zeit während meiner Krankheit dachte ich, er sei hier. Ich hörte ihn reden … mit Gott, glaube ich. Nein, mit dir. Er hat dich gebeten, mit Gott zu handeln. Mein Leben zu verschonen und stattdessen seines zu nehmen. Aber als ich aufwachte, wusste ich nicht, ob ich alles bloß geträumt hatte.«
»Das hast du nicht. Er war tatsächlich hier.«
»Wo ist er jetzt? Könntest du ihn bitten herzukommen, Fatima? Ich würde gern mit ihm sprechen.«
Fatima sah sie traurig an. »Das kann ich nicht. Er hat das Lager verlassen. Er ist fort.«
»Aber warum? Warum ist er weggegangen, ohne sich zu verabschieden?«, fragte Willa verzweifelt.
»Er musste nach Haifa zurück. Das Kommando eines Schiffes übernehmen«, antwortete Fatima.
»Ja, jetzt erinnere ich mich. Er sagte mir, dass er gehen muss«, seufzte Willa erschöpft. »Langsam kommt alles wieder, aber immer nur bruchstückweise.«
»Er hat einen Brief für dich zurückgelassen«, sagte Fatima. Sie ging zu einem kleinen Tisch, auf dem das Wasserbecken stand, und nahm ein zusammengefaltetes Stück Papier, das daneben lag.
Willa öffnete es mit zitternden Händen.
Meine liebste Willa,
es tut mir leid, dich zu verlassen, bevor du aufgewacht bist, aber ich weiß, dass du unter Fatimas Fürsorge jetzt wieder gesund werden wirst.
Ich hoffe, du verstehst, dass ich keine andere Wahl hatte, als fortzugehen. Ich muss das Kommando der Exeter übernehmen und so schnell wie möglich nach Haifa zurück.
Vielleicht sehe ich dich eines Tages wieder, und du kannst mir ausführlich erzählen, wie du es geschafft hast, so krank und erschöpft mit Karten des deutschen Oberkommandos allein durch die Wüste zu reiten. Ich bin mir sicher, es ist eine Wahnsinnsgeschichte. Wie das meiste, was du tust.
Pass auf dich auf, Willa. Bitte. Ich habe keine Ahnung, wie nahe du diesmal dran warst. Näher, glaube ich, als damals bei dem Absturz am Kili. Hör auf, dich zu bestrafen. Um meinetwillen, wenn schon nicht um deinetwillen. Wir haben Fehler gemacht. Und bezahlen dafür. Aber ich weiß nicht, ob ich weitermachen könnte, wenn dir etwas zustoßen sollte. Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn du nicht ständig in meinem Herzen wärst, wenn ich in den Nachthimmel blicke, das Meer rieche, auf den Gipfel eines Bergs, einer Eiswand oder einer riesigen Sanddüne klettere – bloß um zu sehen, was jenseits davon ist.
Ich liebe dich, Willa, ob das nun gut oder schlecht ist, ich liebe dich. Das habe ich immer getan und werde es immer tun. Nimm mir das nie weg.
Dein Seamie
Willa faltete den Brief wieder zusammen. Sie wünschte, sie könnte weinen. Weinen würde helfen. Aber sie konnte nicht. Der Schmerz, den sie fühlte, war zu groß für Tränen.
Fatima nahm den Brief und legte ihn auf den Tisch zurück. »Der Brief hat dir Kummer bereitet. Das sehe ich. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich ihn dir nicht gegeben. Du musst Allah um Hilfe bitten. Er erhört dich. Er beantwortet unsere Gebete. Er hat die meinen beantwortet. Und wird auch deine beantworten. Und Seamus Finnegans auch.«
Willa lächelte müde. Sie war sich ziemlich sicher, dass Gott Fatima zuhörte, aber nicht ihr. Und sie glaubte auch nicht, dass er Seamie zuhörte.
Wieder dachte sie daran, wie Seamus Fatima angefleht hatte, Gott zu bitten, ihr nicht das Leben zu nehmen. Er sagte, er würde sein eigenes dafür geben, wenn Gott sie verschonte.
Bei der Erinnerung überlief sie ein kalter Schauer. Warum hatte er das gesagt? Das hätte er nicht tun sollen.
Inständig hoffte sie, dass Fatima sich täuschte – und Gott Seamie nicht erhörte.
96
R apport, Mr Walker?«, fragte Seamie seinen Lieutenant.
»Alles in Ordnung, Sir. Wir haben den ganzen Morgen nichts gesehen. Nicht mal ein Fischerboot.«
»Seltsam«, erwiderte Seamie. »Captain Giddings war sich sicher, er hätte etwas beobachtet. Genau in der Gegend, in der wir jetzt sind. Er war davon überzeugt, es sei ein deutsches Kanonenboot. Er sagte, er sei ihm gefolgt, aber es sei entwischt.«
»Sie müssen bemerkt haben, dass sie entdeckt worden sind. Wahrscheinlich haben sie sich davongemacht«, sagte Walker.
Seamie blickte auf die glänzende blaue See hinaus und nickte. »Kann sein. Halten Sie mich auf dem Laufenden,
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