Die Wildrose
Vielleicht konnte sie das ja. Zumindest verdankte sie Oscar eines – dass er sie genügend liebte, um den Versuch zu wagen.
»Also gut«, antwortete sie. »Warum nicht? Ja. Ich heirate dich.«
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E ntschuldigen Sie, Premierminister«, sagte Amanda Downes, David Lloyd Georges Sekretärin, »aber Sie und das Kabinett sollten sich jetzt nach unten begeben für die Fotos mit der deutschen Handelsdelegation.«
Lloyd George, der nach den letzten Wahlen Asquith abgelöst hatte und gerade seinen Finanzminister Andrew Bonar Law wegen des geplanten Haushaltsbudgets in die Mangel nahm, hielt inne. »Danke, Amanda«, sagte er. Dann drehte er sich zu Archibald Graham, seinem Handelsminister, um. »Erklären Sie mir doch noch mal, Archie, warum wir bei diesem Affenzirkus mitmachen. Das war doch Ihre Idee, oder? Worum geht es eigentlich?«
»Um die Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit Deutschland. Die Aufhebung der Embargos. Die Vergabe von Krediten. Die Abschaffung von Zöllen«, antwortete Graham.
»Um normale Geschäftsbeziehungen«, warf Joe Bristow mit einem bitteren Unterton ein.
»Genau. Sie wollen unseren Tee. Wir ihre Motorräder«, sagte Graham.
»Aber das kann nicht umgesetzt werden, bevor wir nicht diesen kleinen Vorfall vergessen«, erwiderte Joe.
Graham zog eine Augenbraue hoch. »Welchen kleinen Vorfall?«
»Den Krieg.«
»Ich würde es zwar nicht so ausdrücken«, erwiderte Graham, »aber ja, das ist korrekt.«
Lloyd George seufzte. Er stand auf und nahm seine Krawatte vom Schreibtisch, die er vor einiger Zeit dort hingeworfen hatte. »Ich nehme an, es ist Presse zugegen?«, fragte er und band die Krawatte um.
»Eine ganze Menge, wie ich gehört habe«, entgegnete Graham und erhob sich gemeinsam mit den anderen Herren von dem großen Mahagonitisch. Joe schob seinen Rollstuhl zurück.
»Der Kaiser fängt einen Krieg an, bringt Millionen Menschen um und will uns dann Motorräder verkaufen«, stellte er empört fest. »Ich will dabei nicht mitmachen.«
»Was wir wollen und was wir müssen, sind zwei Paar Schuhe«, antwortete Graham herablassend. »In der Politik muss man manchmal Kompromisse schließen. Sie waren lange genug im Unterhaus, um das zu wissen. Dieser Kompromiss dient einem höheren Zweck.«
»Tatsächlich?«, fragte Joe.
»Der Handel wird angekurbelt. Und Handel schafft Arbeitsplätze. Die die Männer, die für dieses Land gekämpft haben und heimgekehrt sind, ganz dringend brauchen. Wir treiben Handel mit dem Feind, um uns einen Vorteil zu sichern.«
Mit einem tiefen Seufzen erwiderte Lloyd George: »Sie haben natürlich recht, Archie.«
»Ja, das habe ich gewöhnlich«, erklärte Graham gelassen. »Und nun, Gentlemen, lassen Sie uns bitte der Presse gegenüber ein Bild der Einheit abgeben. Lächeln und freundliche Worte wären hilfreich.«
Joe, der zur Tür gerollt war, drehte seinen Rollstuhl um und blockierte den Durchgang. »Ein einheitliches Bild?«, fragte er und schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich weiß nicht, Archie. Ich muss Ihnen sagen, dass sich das im East End sehr schwer verkaufen lassen wird.«
»Ah, jetzt kommen wir zum Kern der Sache. Es wundert mich, dass Sie erst jetzt damit rausrücken«, gab Graham süffisant zurück.
»Ich werde etwas brauchen, was ich meinen Wählern mitbringen kann.«
»Haben Sie irgendeine Vorstellung, was das sein könnte?«
»Zufälligerweise, ja.«
»Das dachte ich mir.«
»Ich will drei neue Fabriken. Eine in meinem Wahlkreis von Hackney. Eine in Whitechapel und eine in Limehouse. Wenn uns die Deutschen Motorräder verkaufen wollen, können sie die auch da bauen, verdammt noch mal.« Er schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: »In der Politik müssen wir manchmal Kompromisse machen, Archie. Sie waren doch lang genug im Unterhaus, um das zu wissen.«
Graham verschränkte die Arme vor der Brust. »Zwei Fabriken. Und die können Sie verdammt noch mal hinstellen, wo Sie wollen.«
»Abgemacht«, sagte Joe und schenkte dem Mann ein strahlendes Lächeln.
»Wären die Gentlemen dann fertig?«, fragte der Premier.
»Ja, wären wir«, antwortete Joe und machte den Weg frei, um Lloyd George passieren zu lassen.
Gefolgt von seinen Ministern, ging der Premier ins Foyer der Downing Street. Dort begrüßte er steif den Leiter der deutschen Handelsdelegation, Wilhelm von Berg, während sich seine Minister unter die Delegierten mischten. Die Konversation blieb unterkühlt. Beide Seiten kamen zusammen, weil sie es mussten,
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