Die Wildrose
Abgeordneten.«
»Ist mir egal, wer du bist, Mädchen, du bist hier nicht willkommen«, antwortete Billy. »Das ist kein Pub für Damen.«
»Mr Madden, Sam Wilson möchte Sie in einer Angelegenheit von großer Wichtigkeit sprechen«, erwiderte Katie.
»Warum kommt er dann nicht selber her?«, brummte Madden.
Katie runzelte die Stirn, blickte zu Boden und dann wieder zu Billy. »Nur unter uns, Mr Madden, ich glaube, er hat Angst. Nicht jeder kommt gern in diesen Teil von Limehouse.«
»Ach ja? Und warum hast du dann keine Angst, du freche Göre?«
»Weil ich Sie mit Ihrem Sohn Peter gesehen habe. In Wickersham Hall. An Weihnachten. Sie haben Minzplätzchen gegessen und wirkten nicht sonderlich Furcht einflößend.«
Billy lehnte sich in einem Stuhl zurück, total perplex, dass dieses Mädchen von Peter wusste, aber noch mehr, dass sie den Mumm hatte, so direkt und unumwunden mit ihm zu reden.
»Mein Bruder Charlie ist ebenfalls Patient in Wickersham Hall, verstehen Sie. Er kam mit einer schweren Kriegsneurose aus Frankreich zurück. Das Hospital wurde von Mitgliedern meiner Familie gegründet, und sie finanzieren seinen Unterhalt auch weiterhin. Ich gehe so oft zu Besuch dorthin, wie ich kann. Was nicht ganz leicht ist, mit meinem Studium, der Zeitung und meiner Arbeit für Mr Wilson. Aber im Dezember war ich dort und habe Sie beide gesehen – Sie und Peter.«
»Was willst du?«, fragte Madden schroff. Er redete nicht gern mit Fremden über seinen Sohn.
»Die Regierung verhandelt mit den Deutschen über die Ansiedlung von zwei Motorradfabriken in London. Ein möglicher Standort wäre Limehouse, aber es gibt Konkurrenten. Andere Abgeordnete sind gegen uns. Sie möchten die Fabriken lieber in ihrem Wahlkreis haben. Sam Wilson hält nächsten Samstag eine Kundgebung ab, um den hiesigen Standort zu unterstützen. Er möchte gern, dass Sie kommen.«
Bennie brach in Lachen aus. »Vielleicht kannst du das Banner tragen, Boss. Und Anstecker verteilen.«
Madden lachte ebenfalls. »Du machst wohl Scherze. Du willst, dass ich zu einer Kundgebung komme … für die Deutschen? Die gleichen Leute, die den Krieg angefangen haben, in dem zwei Söhne von mir gefallen und der dritte schwer geschädigt worden ist?«
»Es ist keine Kundgebung für die Deutschen«, erklärte Katie. »Es ist ein Aufruf an die Regierung, eine deutsche Fabrik hier in Limehouse statt an einem anderen Ort anzusiedeln. Weil die Leute in Limehouse dringend Arbeit brauchen, Mr Madden. Es ist eine der ärmsten Gegenden in London, ja sogar im ganzen Vereinigten Königreich. Die Lebenserwartung hier gehört zu der niedrigsten im Land, und alles andere – Kindersterblichkeit, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Unterernährung – ist extrem hoch. Sie sind ein mächtiger Mann in Limehouse, Mr Madden …«
»Wie wahr!«, warf Bennie ein.
»… und wenn die Leute sehen, dass Sie daran teilnehmen, tun sie es auch, und wir brauchen eine Menge Teilnehmer, wenn wir die Regierung überzeugen wollen, die Fabrik hier zu bauen.«
Madden hatte langsam genug von dieser Göre und ihrem nervtötenden Gequatsche. »Du bist an den falschen Mann geraten«, antwortete er. »Kundgebungen gehören nicht zu meinem Arbeitsgebiet.«
Doch Katie ließ sich nicht abwimmeln. »Ich weiß, was Ihr Arbeitsgebiet ist. Aber muss das so bleiben? Ich habe Sie mit Ihrem Sohn gesehen, Mr Madden«, erwiderte sie ruhig. »Sie waren freundlich und besorgt. Sie waren …«
Jetzt hatte Billy endgültig genug. Gespräche über seinen Sohn machten ihn hilflos, und Hilflosigkeit machte ihn wütend.
»Mein Sohn geht dich gar nichts an, verdammt. Raus hier. Auf der Stelle!«, schrie er.
Katie blinzelte, wich jedoch nicht zurück. »Darf ich Ihnen eine Ausgabe meiner Zeitung hierlassen? Sie enthält einen Artikel über die Fabrik. Vielleicht können Sie einmal einen Blick hineinwerfen.«
Billy konnte sich jetzt kaum mehr beherrschen. »Wenn ich Ja sag, haust du dann endlich ab?«, fragte er.
»Sofort.«
»Also gut. Lass deine verdammte Zeitung hier. Bennie kann sich ja die Bilder anschauen.«
»Auf Wiedersehen, Mr Madden, und vielen Dank«, sagte Katie, als sie eine Ausgabe des Schlachtrufs auf den Tisch legte.
Madden starrte, ohne zu antworten, auf den Fluss hinaus.
»Verdammte Frechheit«, sagte er, als sie fort war. »Wilson kann sich seine blöde Fabrik in den Arsch schieben. Ich will mit den verdammten Deutschen nichts zu tun haben.« Er deutete auf Katies Zeitung. »Nimm das
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