Die Wildrose
hab, ist Max von Brandt ein toter Mann.«
108
M ax goss sich eine Tasse starken Kaffee ein und setzte sich an den Schreibtisch seiner Hotelsuite. Es war erst halb drei, aber er war bereits hundemüde. Nach den vielen Konferenzen in Westminster und all den Interviews mit Londoner Tageszeitungen war er regelrecht ausgelaugt.
Am Abend sollte er bei einem Dinner des Außenministers erscheinen – eine Einladung, die sicher bis spät in die Nacht dauern würde, und davor musste er noch Dutzende Telefonate erledigen und einen Stapel Berichte durchlesen. Gerade als er zum Hörer griff, klopfte es an der Tür.
»Ein Telegramm für Mr von Brandt«, rief eine Stimme.
»Einen Moment bitte«, rief Max zurück.
Er stand auf, durchquerte den Raum und öffnete die Tür. Noch bevor er etwas herausbekam, stürzten sich zwei Männer auf ihn. Der Erste, ein breitschultriger Riese, schlug ihm die Faust ins Gesicht, und er ging zu Boden.
Der Zweite schloss schnell die Tür und sperrte sie ab. »Setz ihn auf den Stuhl, Bennie«, befahl der Erste. »Dort drüben. Fessel ihn.«
Max, noch ganz benommen von dem Schlag und aus der Wunde blutend, die er davongetragen hatte, spürte, wie er hochgerissen und weggezerrt wurde. Er versuchte, nach dem Messer in seiner Tasche zu greifen, aber bevor ihm das gelang, wurde er auf einen Stuhl geschleudert und mit einem Stück Seil gefesselt.
»Gut gemacht, mein Junge«, sagte der zweite Mann. »So schnell geht der jetzt nirgendwo mehr hin. Stimmt’s, Mr Stiles?«
Max wand sich in seinen Fesseln und blickte gerade in dem Moment auf, als Billys Faust auf ihn zugeschossen kam. Der Schlag riss eine weitere Wunde in sein Gesicht, diesmal in Höhe der Wangenknochen. Blut spritzte an die Wand hinter ihm.
Nachdem der Schmerz etwas nachgelassen hatte und er wieder richtig sehen und sprechen konnte, sagte er: »Hallo, Billy. Wie schön, Sie wiederzusehen.«
»Halt’s Maul, du Dreckskerl. Du Hurensohn. Du dreckiger Spion.«
»Billy, ich weiß nicht …«
»Schnauze!«, schrie Billy.
Er zog eine Pistole heraus und zielte auf Max.
»Du hast sie umgebracht!«, brüllte er. »Du hast meine Jungen William und Tommy umgebracht. Und Peter für den Rest seines Lebens ins Irrenhaus geschickt.«
Max begriff, dass er in großer Gefahr war. Billy war noch nie ganz richtig im Kopf gewesen, aber jetzt schien er vollkommen wahnsinnig geworden zu sein. Seine Augen waren dunkel und funkelten vor Zorn. Spucke sprühte beim Sprechen aus seinem Mund. Er zitterte und schwitzte.
»Billy, hören Sie zu … Ich hab Ihren Söhnen nichts getan. Das schwöre ich.«
»Hör ihn dir an, Bennie, ja? Hör dir seine Lügen an. Du hast sie getötet. Ich hab dich gesehen, von Brandt. Ich hab dein Bild in der Zeitung gesehen. Der deutsche Präsident selbst hat dich hergeschickt. Für wie blöd hältst du mich eigentlich? Du bist nicht Peter Stiles. Du bist kein Engländer. Und es war keine heiße Ware, die du auf die Nordsee rausgeschickt hast. Du und der Kaiser, der elende Mistkerl, wart wie Pech und Schwefel. Ihr habt hier Informationen gestohlen, du und deine Kumpane, und sie nach Deutschland weitergegeben. Du hast dem Kaiser gesagt, wo meine Jungs sind, und er hat seine Granaten auf sie abgeworfen. Du hast sie umgebracht, so wahr, wie ich hier steh, und jetzt bring ich dich um.«
Madden hob erneut die Waffe, und Max wusste, dass ihm nur noch Sekunden blieben, sein Leben zu retten.
»Es wäre ein schrecklicher Fehler, mich zu töten, Billy«, sagte er.
»Das glaub ich nicht«, antwortete Madden und drückte ihm den Lauf seiner Waffe an den Kopf.
»Du hast noch einen Sohn.«
»Red keinen Scheiß, hab ich nicht«, erwiderte Madden und spannte den Abzug.
»Josie Meadows«, sagte Max. »Sie war doch schwanger, als sie dich sitzen ließ? Schwanger mit deinem Kind. Nimm die Waffe runter, Billy, und ich sag dir, wo sie ist.«
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D addy?«, sagte James.
Seamie lächelte. Es gefiel ihm, wenn sein Sohn ihn so nannte. Noch in hundert Jahren würde er nicht müde werden, dieses Wort von ihm zu hören.
»Ja, James?«
»Erzähl mir wieder von Lawrence. Und von Auda und Faisal. Erzähl mir von der Wüste.«
Seamie, der in dem Cottage in Binsey auf einem alten quietschenden Sofa am Kamin saß, fragte: »Müsstest du nicht schon längst im Bett sein, Junge?«
»Nur noch eine Geschichte. Bitte, Daddy.«
Seamie lächelte. Er hätte ihm auch noch zwanzig erzählt.
»Hast du dein Gesicht
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