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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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muss man schon bei klarem Verstand sein. Und das bin ich. Das schwöre ich dir. Ich habe furchtbare Angst, ja. Und stehe unter Schock. Aber ich bin völlig klar im Kopf.« Sie hielt inne, um Atem zu holen. »Es geht um Leben oder Tod, Albie. Um Seamies Leben und das seines Sohnes. Ruf das Gasthaus in Binsey an. Das King’s Head. Bitte sie, Seamie ans Telefon zu holen. Vielleicht können sie einen Burschen ins Cottage schicken, und er kann schnell in das Pub rüberkommen und dich zurückrufen. Wenn er das tut, erklär ihm, was ich dir gestern gesagt habe. Bitte, Albie. Tu es für mich, und ich werde dich nie mehr um etwas bitten. Ich bin auf dem Weg, habe aber noch eine ziemliche Strecke vor mir. Bitte, bitte, mach das.«
    »Ja, gut. Ich ruf das Pub an«, antwortete Albie, sehr besorgt inzwischen. »Aber beruhige dich, Willa.«
    Wieder ertönte ein Knistern in der Leitung, dann brach die Verbindung ab. Albie legte auf und stellte das Telefon auf den Tisch zurück. Er holte tief Luft und überlegte, was er tun sollte.
    Selbst ohne Morphium war Willa stets unbesonnen und unberechenbar gewesen und schon als junges Mädchen auf Berge geklettert, die viele Männer abgeschreckt hätten. Sie war leichtsinnig und zuweilen sogar rücksichtslos. Rücksichtslos bei der Verfolgung ihrer Wünsche, rücksichtslos anderen gegenüber, wenn dies nötig war, um ihr Ziel zu erreichen. Aber vor allem rücksichtslos gegenüber sich selbst. In einer Hinsicht jedoch war sie stets fest und unerschütterlich geblieben, ganz egal, was es sie kosten mochte: in ihrer Liebe zu Seamus Finnegan. Und genau dieses Gefühl war es, dachte Albie jetzt, das sie schließlich zur Strecke gebracht hatte. Zuerst die Nachricht von seinem Tod und dann zu erfahren, dass er noch lebte, musste ein Schock gewesen sein. Ein furchtbarer Schock.
    Ein paar Sekunden später nahm er den Hörer wieder ab. »Binsey bei Oxford, bitte«, sagte er der Vermittlung. »Den Gasthof King’s Head.«
    Es dauerte ein paar Minuten, bis die Verbindung hergestellt war. Schließlich meldete sich eine männliche Stimme. »Guten Tag. King’s Head. Mr Peters am Apparat.«
    »Hallo, mein Name ist Albie Alden. Ich bin ein Freund von Captain Finnegan. Ich müsste ihn sprechen.«
    »Ah! Sie haben Glück! Er ist gerade da – Captain Finnegan und sein Sohn. Sie essen hier. Ich hole ihn.«
    Seamie kam an den Apparat. Er war überrascht, freute sich aber, Albies Stimme zu hören. Albie erwiderte, dass auch er sich freue und dass es ihm leidtue, ihn beim Essen zu stören, aber er habe leider etwas sehr Unangenehmes mit ihm zu besprechen.
    Am Ende des Gesprächs sagte Albie, er hoffe, Seamie würde ihn bald mit James in Cambridge besuchen. Seamie versprach, dass er sich darauf verlassen könne.
    Albie verabschiedete sich. Seamie und seinem Sohn ging es gut. Niemand war zusammengeschlagen, ermordet oder entführt worden. Ganz im Gegenteil. Sie hatten gerade ein gutes Essen in dem Pub genossen und würden anschließend gemütlich nach Hause spazieren.
    »Ich hätte es mir denken können«, murmelte Albie vor sich hin. »Das Ganze ist ein totaler Blödsinn. Nichts weiter als eines von Willas Hirngespinsten. Warum höre ich ihr überhaupt zu? Wenn jemand verrückt ist, dann ich, weil ich ihre Anrufe annehme.«
    Er blickte aus dem Fenster. Noch immer goss es in Strömen. Es war kalt und begann zu dämmern. Kein guter Zeitpunkt für einen Ausflug, aber blieb ihm eine andere Wahl? Seine verrückte Schwester war drauf und dran, seinen besten Freund zu überfallen. Das war Seamie nicht zuzumuten. Niemandem eigentlich. Er würde sie abholen, hierherbringen und von einem Arzt untersuchen lassen. Höchste Zeit, dass dies jemand machte.
    »Albie, mein Lieber, haben Sie aufgelegt?«, rief Mrs Lapham vom Spülbecken.
    »Ja, habe ich!«, rief Albie zurück.
    »Oh, gut! Bevor ich’s vergesse, Ihre Tante Edwina hat angerufen …«
    Albie stöhnte auf. Eddie hätte Willa nach Hause bringen und ihr nicht erlauben sollen auszubüxen. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was sie ihm sagen wollte, und hatte nicht die geringste Lust, sich das anzuhören. Nicht im Moment. Schließlich hatte er schon eine Irre am Hals, um die er sich heute Abend kümmern musste, und brauchte keine zweite.
    »… und möchte, dass Sie sie zurückrufen. Hier ist die Nummer«, sagte Mrs Lapham und zog einen Zettel aus der Schürzentasche.
    »Danke«, erwiderte Albie.
    Mrs Lapham machte sich wieder an ihre Arbeit.
    Albie steckte den Zettel

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