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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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nach Dover geschafft. Vom Hafen zum Bahnhof hatte sie eine Droschke genommen und den Kutscher während der ganzen Fahrt beschworen, doch schneller zu fahren, um dann festzustellen, dass sie den Zug nach London um sechs Minuten verpasst hatte. Um sechs verdammte Minuten! Und der nächste ging erst in fünf Stunden.
    Sie hatte aber keine fünf Stunden Zeit, um sie hier mit Däumchendrehen zu vergeuden. Seamie und James hatten keine fünf Stunden. Weiß Gott, wo Billy Madden inzwischen war. Die Angst nagte an ihr, er könnte inzwischen schon in London sein und nach ihnen suchen. Sie kämpfte sie nieder und erinnerte sich, dass ihre Freundin weder Jennies noch Seamies Namen herausgerückt hatte. Ohne deren Namen konnte er James nicht aufspüren, und es blieb noch Zeit. Aber dann fiel ihr ein, dass es jemanden gab, der Madden von Josie erzählt hatte – wusste diese Person auch, wo sich der Junge im Moment befand?
    Es musste eine andere Möglichkeit geben, nach London zur Paddington Station zu kommen, wo sie einen Zug in die Cotswolds nehmen konnte. Vielleicht gab es einen Bus oder eine Droschke, die sie wenigstens ein Stück weit mitnehmen konnte. Während sie auf den Bahnhofsvorplatz hinausging und überlegte, wie diese andere Möglichkeit aussehen könnte, entdeckte sie einen Lieferjungen auf einem Motorrad mit einer Holzkiste auf dem Rücksitz. Gerade hatte er ein Bündel Zeitungen bei einem Zeitungsladen abgeworfen und wollte nun weiterfahren.
    »Hey, warte!«, rief sie. »Warte einen Moment!«
    Der Junge drehte sich um. Winkend lief sie auf ihn zu. Er sah sie fragend an und deutete auf sich.
    »Ja, du!«, rief sie. »Wie viel willst du für das Motorrad?«, fragte sie atemlos, als sie bei ihm angekommen war.
    »Kommt darauf an, wo ich hinfahren soll. Für hiesige Lieferungen rechne ich nach Meilen ab. Für Fahrten nach Canterbury oder andere Städte in der Umgebung nehme ich eine Pauschale.«
    »Ich will das Motorrad nicht mieten. Ich will es kaufen. Wie viel?«
    »Es steht nicht zum Verkauf, Miss. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt damit.«
    »Ich geb dir zwanzig Pfund«, erwiderte Willa und griff nach ihrer Brieftasche in ihrer Mappe.
    Der Junge kniff die Augen zusammen. »Sie sind doch nicht etwa auf der Flucht, oder?«
    »Nein. Aber es geht um einen ganz dringenden Notfall«, antwortete Willa und zog eine Zwanzig-Pfund-Note heraus. »Verkaufst du mir das Motorrad oder nicht?«
    Der Junge nickte. »Sind Sie schon mal mit einem gefahren?«, fragte er.
    Willa bejahte. In Kairo war sie oft Motorrad gefahren.
    »Der Tank ist halb voll«, sagte der Junge, nahm seine Brille ab und reichte sie ihr. »Tanken sollten Sie bei Broughton’s. Daran kommen Sie auf dem Weg aus der Stadt vorbei. Etwa fünfundzwanzig Meilen weiter gibt’s noch eine Tankstelle, aber die ist öfter zu als offen.«
    »Danke«, sagte Willa.
    Sie legte ihre Tasche in die Kiste, ließ den Motor an und fuhr los. Ein paar Minuten später war sie an der Tankstelle und bat den Besitzer, die Maschine aufzutanken. Während sie wartete, ging sie auf und ab, stampfte mit den Füßen auf und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Die Übelkeit und die Kopfschmerzen abzuschütteln, die ihr zusetzten. Seit vierundzwanzig Stunden hatte sie kein Morphium mehr genommen, und die Entzugserscheinungen machten sich bemerkbar. Auf der Fähre hatte sie zu schlafen versucht und gehofft, sich damit Linderung zu verschaffen, aber es funktionierte nicht. Wenn überhaupt, war es nur noch schlimmer geworden. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, sah sie Josies zerschlagenes Gesicht vor sich.
    Von Josies Wohnung war sie direkt nach Hause gerannt und hatte Tante Eddie berichtet, was passiert war. Ihre Tante ließ sich nicht leicht aus der Fassung bringen, aber das hatte sie dennoch schockiert. Als Willa sie fragte, ob sie sich um Josie kümmern könne, sprang Eddie sofort auf, zog ihren Mantel an und bat um die Adresse. Sie war schon halb zur Tür hinaus, als Willa sie am Arm packte.
    »Tante Eddie, nachdem du Josie versorgt hast, würdest du bitte Albie anrufen und ihm sagen, was geschehen ist? Es gibt ein Telefon in Josies Wohnung. Ich hab ihn bereits angerufen. Er wollte mir aber nicht zuhören, weil er mich für völlig durchgedreht hält. Aber dich wird er anhören.«
    »Ich rufe ihn an, sobald ich dafür gesorgt habe, dass es deiner Freundin gut geht. Beeil dich, Willa. Los, geh«, antwortete sie.
    Willa zog schnell einen warmen Pullover, ein Paar feste Stiefel und

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