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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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ein und sagte sehr laut: »Mrs Lapham, ich bin dann eine Weile weg. Mit dem Wagen. Wenn Sie fertig sind, sperren Sie bitte hinter sich ab.«
    »Natürlich«, antwortete Mrs Lapham, ohne vom Polieren aufzublicken. »Wohin gehen Sie denn, Albie, mein Lieber?«
    »Wildgänse jagen.«
    »Wildgans?«, fragte Mrs Lapham. »Seltsamer Ort. Nie gehört. Hübscher Name aber! Viel Spaß, Albie. Und vergessen Sie Ihre Gummistiefel nicht.«

   115   
    W illa fuhr mit dem Motorrad einen langen Pfad entlang, der zu Seamies Cottage führte. Zumindest hoffte sie das. Vorausgesetzt, die Beschreibung stimmte, die Mr Peters im Pub ihr gegeben hatte.
    Inzwischen war es dunkel, und der Pfad vom Regen aufgeweicht und voller Schlaglöcher. Mit letzter Kraft schaffte sie es, das Motorrad in der Spur zu halten, ohne zu schlittern oder im Graben zu landen. Sie war bis auf die Haut durchnässt, total erschöpft und durchgefroren. Aber vor allem hatte sie Angst – Angst, dass sie zu spät kam und Billy Madden es irgendwie vor ihr geschafft haben könnte.
    »Das ist nicht möglich«, sagte sie sich immer und immer wieder. »Er kennt Jennies Namen nicht. Er hat die Adresse ihres Cottages nicht.«
    Ein paar Minuten später kam ein kleines Haus in Sicht. Sie fuhr darauf zu und stellte den Motor ab. Als sie abstieg, ging die Tür des Cottages auf, und Seamie trat heraus. In einer Hand hielt er eine Laterne, mit der anderen schützte er die Augen vor dem Regen. Er spähte in die Nacht hinaus, konnte sie aber nicht gleich erkennen.
    Sein Anblick versetzte ihr einen Stich – vor Liebe. Immer noch. Für immer. Sie nahm die Brille ab und wischte sich den Schmutz aus dem Gesicht.
    »Hallo, Willa«, rief er in den Regen hinaus. »Komm rein.«
    Auf dem Weg zum Cottage blieb sie plötzlich wie angewurzelt stehen.
    »Seamie … woher weißt du, dass ich es bin?«
    »Albie hat mich angerufen.«
    Erleichterung überkam sie. »O Gott sei Dank!«, rief sie aus und ging auf ihn zu. »Dann weißt du also …«
    »Ja. Er hat mir alles erzählt«, antwortete Seamie.
    Er zog sie an sich und drückte die Lippen an ihre Wange. Sie schmolz dahin in seiner Umarmung, lechzte geradezu danach, seine Wärme zu spüren und seinen Duft einzuatmen – des Mannes, den sie ihr ganzes Leben lang geliebt hatte, der von den Toten zu ihr zurückgekehrt war.
    »Ich dachte, du wärst gestorben«, sagte sie und kämpfte gegen die Tränen an. »Ich dachte, ich würde dich nie mehr wiedersehen.« Sie zog ihn an sich und küsste ihn innig. So wäre sie am liebsten stehen geblieben, in seiner Umarmung. Aber sie wusste, das war nicht möglich, denn Billy Madden war ihnen vielleicht schon auf der Spur.
    »Seamie, wir müssen …«, begann sie.
    »Ich weiß. Das werden wir. Komm jetzt rein, bevor du dir den Tod holst.«
    Bildete sie sich das nur ein, oder klang seine Stimme traurig? Er sollte alarmiert sein, dachte sie. Keinesfalls traurig.
    »Ist James bei dir?«, fragte Willa besorgt. »Geht’s ihm gut?«
    »Was? Ja. Ja, ihm geht’s gut. Er ist gerade ins Bett gegangen.«
    »Ins Bett ? Seamie, du musst ihn aufwecken. Ihr müsst fort von hier. Jetzt gleich. Albie hat dir vielleicht einiges erzählt, aber es steckt noch viel mehr dahinter. Ich erklär’s dir später, auf dem Weg, aber jetzt musst du ein paar Sachen packen und mit nach Cambridge kommen. In Eddies Haus. Dort bist du sicher …«
    »Willa, komm rein. Du kannst in dem nassen Zeug nicht weiterfahren. Ich hol dir ein Glas Brandy.«
    Willa schüttelte den Kopf. Irgendetwas stimmte nicht. Das war doch keine angemessene Reaktion. Einen Moment lang fragte sie sich, ob etwas nicht in Ordnung war mit ihm. Begriff er nicht, in welcher Gefahr er und James schwebten?
    »Es ist keine Zeit für einen Brandy«, antwortete sie knapp. »Hast du einen Wagen?«
    »Ja, aber …«
    »Wo ist er? Ich starte ihn.«
    Seamie starrte sie an. Sein Blick wanderte über ihr schmales Gesicht, über ihren dünnen Körper bis hin zu ihren blau gefrorenen Händen. Plötzlich traten Tränen in seine Augen.
    »Ach, Willa, was ist nur passiert mit dir?«, fragte er. »Komm rein. Bitte. Du musst dich ausruhen.«
    »Seamie, um Himmels willen! Du und James, ihr seid in Gefahr. In großer Gefahr.«
    »Willa … ich weiß.«
    »Wirklich?«
    »Ich weiß Bescheid über das Morphium und deine Sucht«, erwiderte er. »Albie hat mich heute Nachmittag im Pub angerufen, als ich mit James dort aß. Er hat mir alles über dich und Paris erzählt. Über Oscar Carlyle

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