Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
alles zu bedeuten?«
»Das ist eine komplizierte Geschichte.« Der Großmeister seufzte. »Es hat in erster Linie mit Rinartins Politik als Oberhaupt von Jadestadt zu tun. Er denkt anders als die meisten Menschen, Serrashil. Das hat ihm unter unsereins viele Feinde eingebracht. Mehr Feinde, als es für einen Regenten gesund ist. Ich will dich nicht weiter in die Angelegenheit hineinziehen. Du weißt schon zuviel. Aber vielleicht beantworten sich einige deiner Fragen von selbst, wenn du Mashdin näher kennenlernst.«
Sie gelangten an eine Weggabelung und blieben stehen. Randefs Worte spukten in Serrashils Kopf herum, doch sie vertrieb sie mit einem Kopfschütteln und bemühte sich, sich wieder auf die Suche nach Carath zu konzentrieren. Bisher hatten keine Fußspuren im Schnee vom Weg weggeführt, doch nun würden sie sich aufteilen müssen, um beide Pfade zu kontrollieren.
»Wähle.« Der Großmeister machte eine ausladende Handbewegung über die Abzweigung. In der Mitte stand ein hölzerner Pfeiler, an dem drei Schilder angebracht waren: Jadestadt , Jadesteinbruch und Grenze Ledapra standen in drei verschiedenen Sprachen darauf.
Serrashil deutete kurzerhand auf den linken Weg. Er führte in den Jadesteinbruch.
Randef nickte. »Wir treffen uns in spätestens drei Stunden wieder hier.« Mit diesen Worten wandte er sich nach rechts und stapfte los.
Sie machte sich ebenfalls auf den Weg. Der Schnee, der auf dem Pfad lag, war fast unberührt. Lediglich ein paar wenige Leute waren hier seit dem letzten Schneefall gegangen. Wenn sie Glück hatte, gehörte Carath auch dazu.
Nachdem Serrashil dem Weg eine Zeit lang gefolgt war, lichteten sich die Bäume. Der Pfad fiel immer stärker ab, er führte geradewegs in eine Schlucht. Je tiefer sie kam, desto höher ragte das Erdreich neben ihr in die Luft. Nach einigen hundert Metern begann sich die Farbe der Grubenwände zu ändern, die felsige Erde wich grünlich schimmerndem Gestein. Ungenutzte Schlepplifte ragten daran in den Himmel. Aus diesem Steinbruch wurde seit jeher das Baumaterial für die Gebäude Jadestadts gebrochen. Das Ausmaß der Grube war gigantisch. Dennoch würde es für sie ein Leichtes sein, Carath hier unten zu erspähen, denn es gab keine Bäume oder andere Pflanzen, nur die nackten Steinwände – sofern er sich hier befand, verstand sich.
Ein Krachen ließ sie zusammenfahren. Eine Staubwolke stieg hinter der Felswand empor, die ihr den Blick auf den restlichen Teil der Grube versperrte. Das Herz schlug Serrashil bis zum Hals. Es war ihr neu, dass es im Jadesteinbruch selbstständige Erdrutsche gab. Davon hätte man in Jadestadt gehört.
Ohne lange zu überlegen, rannte sie los. Hoffentlich war Carath nicht der Verursacher des Lärms. Der Weg beschrieb einen Bogen und folgte dabei dem Verlauf der Grube. Die Staubwolke füllte beinahe die gesamte hintere Hälfte des Steinbruchs aus, doch sie lichtete sich allmählich. Dafür erklang ein erneutes Krachen und ein Blitz zuckte strahlend hell durch die Wolke. Erschrocken hielt Serrashil inne.
Der Staub legte sich und gab den Blick auf zwei Gestalten frei, die sich regungslos gegenüberstanden. Serrashil erkannte sie selbst aus der Ferne: Der giftgrüne Haarschopf gehörte zweifellos Seran, während es sich bei seinem bleichen Gegenüber um Carath handelte. Offensichtlich hatten sie einen erneuten Disput ausgetragen und dabei einen der Schlepplifte zerstört.
Serrashil trat zögerlich näher. Zwischen zwei kämpfende Elfen geriet man besser nicht, wie sie mittlerweile wusste. »Carath?«
Der Galdana würdigte sie keines Blickes, sondern hielt seine Augen weiterhin starr auf Seran gerichtet. Allerdings ging er langsam seitwärts, bis er sich leicht hinter sie geschoben hatte. Serrashil betrachtete ihn besorgt. Er schien völlig aufgelöst zu sein und aus seinen aufgerissenen Augen sprachen Entsetzen und Hass. Seine Arme behielt Carath schützend vor seinem Körper erhoben. Er trug weder einen Mantel noch Stiefel, sondern lediglich ein einfaches Hemd und eine Hose.
»Geht es dir gut?« Sie wollte eine Hand nach ihm ausstrecken, doch er zuckte zusammen und fauchte. Eingeschüchtert zog Serrashil sie wieder zurück. »Was habt Ihr mit ihm angestellt?«, fuhr sie Seran an.
»Wenn ich das nur wüsste. Ganz arglos bin ich hier spazieren gegangen, als dein Schützling plötzlich auf mich losgegangen ist.« Der Großmeister zuckte mit den Schultern. »Du solltest den Welpen lieber an die Leine
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